Im Skandal um gefälschte „Abnehmspritzen“ sind nun auch Produkte in Österreich aufgetaucht. Und: ein Patient mußte nach einer Behandlung mit dem gefälschtem Diabetesmittel ins Spital!
Der Skandal um gefälschte „Abnehmspritzen“ zieht immer weitere Kreise. Nachdem wie berichtet offenbar aus Österreich gefälschte Fertig-Pens mit dem Diabetesmittel „Ozempic“ nach Deutschland und dort auch in Apotheken gelangt sind, gibt es nun auch Fälle in Österreich. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) informierte am Donnerstag, dass ein Mensch in Österreich nach der Anwendung des gefälschten Diabetesmittels in einem Krankenhaus behandelt werden muss. Außerdem sollen Fälschungen des Diabetes-Pens bereits Patient:innen in Österreich erreicht haben. Das BASG geht auch davon aus, dass es weitere Fälschungen gibt, die nur schwer oder gar nicht erkennbar sind.
Das gefälschte Produkt mit einem anderen Wirkstoff dürfte online bestellt worden sein. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die gefälschten Produkte von legalen Apotheken an Patient:innen abgegeben wurden. Das BASG warnt Patient:innen „nachdrücklich und eindringlich vor jeder eigenmächtigen Bestellung von Ozempic im Internet“. Echte Arzneimittel können nur über eine Verschreibung per Rezept und Abgabe durch eine öffentliche Apotheke erworben werden. Nur dadurch könne sichergestellt werden, dass es sich beim bezogenen Produkt um ein zugelassenes, bestens überprüftes, sicheres und wirksames und somit letztlich authentisches Arzneimittel handelt, so das BASG. Verdachtsfälle oder Hinweise zu möglicherweise gefälschten Produkten sollen unbedingt an die für die Illegalitätsbekämpfung zuständige Stelle des BASG gemeldet werden (enforcement@basg.gv.at ).
Nach aktuellem Wissensstand handelt es sich bei den mutmaßlichen Fälschungen um Ozempic-Packungen der Stärke 1 mg (Ozempic 1 mg Injektionslösung in einem Fertig-Pen). Es könne derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass noch weitere Packungen mit einer anderen Wirkstärke betroffen sind, teilte das BASG mit. Anhand der Außenverpackung lassen sich die Fälschungen rein optisch nur schwer bis gar nicht unterscheiden. Die bisher identifizierten Fälschungen sind aber von den Originalen an der Primärverpackung (= Spritze) vorerst leicht zu unterscheiden: Dunkelblaue Farbe der gefälschten Spritze anstatt hellblau im Original, sowie blauer Spritzenkopf der Fälschung anstatt grauem im Original. Das BASG geht aber davon aus, dass es auch Fälschungen gibt, die anders aussehen oder nicht als Fertig-Pen angeboten werden.
Am Donnerstag hat auch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA vor Fälschungen gewarnt. In verschiedenen EU-Staaten und Großbritannien seien gefälschte Diabetes-Pens aufgetaucht, teilte die EMA in Amsterdam mit. Die Spritzhilfen mit Labels in deutscher Sprache stammten von Großhändlern in Österreich und Deutschland. Die Behörde hat aber bisher keine Hinweise, dass gefälschte Präparate von legalen Apotheken an Patient:innen ausgegeben wurden. Im Zentrum der Ermittlungen steht ein Pharma-Großhändler im Südwesten Baden-Württembergs. 199 Packungen kamen laut einer Anzeige des Regierungspräsidiums Freiburg ursprünglich von einem österreichischen Großhändler. Der Verband der heimischen Voll-Großhändler Phago weist jede Beteiligung eines ihrer Mitglieder zurück. Die jüngsten Berichte über Fälschungen des Präparates hängen nach Ansicht der EU-Behörde mit einer boomenden Nachfrage nach dem Präparat zusammen. Der Wirkstoff Semaglutid in Ozempic kann auch als Mittel gegen starkes Übergewicht eingesetzt werden. In der Folge kam es auch zu Versorgungsproblemen bei Medikamenten für Diabetiker:innen.
Das BASG weist Apotheker:innen und Hausapotheke-führende Ärzt:innen darauf hin, dass vor der Abgabe von Ozempic an Patient:innen die Sekundärverpackung anhand des elektronischen Sicherheitsmerkmals im Rahmen der Serialisierung und Verifizierung von Arzneimitteln immer auf seine Echtheit zu prüfen ist. Ein Verdacht auf Fälschung eines Arzneimittels muss umgehend dem BASG gemeldet werden. Weitere Fälle von Ozempic-Fälschungen könnten nicht ausgeschlossen werden. Apotheker:innen sollten die Patient:innen zusätzlich informieren, wie sie gefälschte Packungen erkennen können (z.B. auf der Grundlage der Gebrauchsinformation und der veröffentlichten Bilder). (rüm/APA)