Was die ÖVP-FPÖ-Zusammenarbeit in St. Pölten und die Auflösung der GECKO-Kommission miteinander zu tun haben. Eine Analyse.
„Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt, nie, sondern mit vielen kleinen. Von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung“, hat der Schriftsteller Michael Köhlmeier 2018 in einer Rede zum Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus bei einer Veranstaltung des österreichischen Parlaments gesagt. Knapp fünf Jahre später, da die ÖVP in Niederösterreich erneut eine Koalition mit der FPÖ eingeht, kochen die Wogen wieder hoch. Auch und gerade im Gesundheitswesen, weil viele in der FPÖ in den vergangenen Jahren der Pandemie Wissenschaft und Virus in Frage gestellt haben, Gräben aufgerissen haben und jetzt jene Maßnahmenkritiker:innen entschädigen wollen, die sie selbst zu ihrer Kritik motiviert haben und die auch auf Gesundheitsbeschäftigte losgegangen sind.
Wie also wird sich unter solchen Vorzeichen das Gesundheitswesen entwickeln? Der künftige Nö-Gesundheitslandesrat kommt aus der FPÖ und wird auch für Sicherheit, Asyl und Zivilschutz. Stellt sich also die Frage, auf welche Themen er sich besonders fokussiert und welche FPÖ-Positionen er da vertritt. Eine mögliche Antwort findet sich vielleicht auch, wenn man die Aussagen in Presseaussendungen von FPÖ Landesparteiobmann Udo Landbauer während der Pandemie nachrecherchiert.
Am 25.4.2020 forderte er etwa einen „freien, flächendeckenden und raschen Zugang zu Testverfahren“. Am 25.9.2020 übte Landbauer Kritik an den verpflichtenden Gästelisten in der Gastronomie. „Das ist völlig absurd. Bevor man in ein Lokal geht, soll man registriert werden, damit die ÖVP ganz genau weiß, wer sich wann, wo und mit wem aufhält.“ Am 12.1.2021 betonte er: „Sinnlose Massentests in Niederösterreich sind reine ÖVP-Showpolitik!“ Acht Tage später bezeichnete er Bürgermeister, die sich bei Impfungen vordrängten als „Impf-Partisanen“: „Bei knappen Ressourcen wie bei der Corona-Impfung, ist es unmoralisch und schäbig sich Kraft seines Amtes und seiner Privilegien vorzudrängen“, betonte Landbauer damals. Am 20.4.2021 war noch keine Rede von einer Kritik an Corona-Impfungen und er forderte, Hausärzte in den NÖ-Impfplan besser einzubinden: „Impfstraßen sind kein Ersatz für die wohnortnahe und patientenfreundliche Versorgung beim Hausarzt des Vertrauens. Der niedergelassene Bereich darf nicht zum Bittsteller werden, sondern muss auch im Falle einer Corona-Schutzimpfung die Anlaufstelle Nummer eins sein“, schrieb er in einer Presseaussendung.
Am 1.12.2021 freute sich Landbauer darüber, dass einen Tag „nachdem in Wien 100.000 Menschen auf die Straße gingen, rund 1.200 Niederösterreicher durch die Landeshauptstadt zogen, um ein starkes Zeichen gegen den Corona-Wahnsinn und für Freiheit und Selbstbestimmung zu setzen.“ Sein Fazit: „Nicht jene, die auf die Straße gehen sind das Problem, sondern die abgehobenen Schreibtischpolitiker, die permanent Feindbilder schaffen und auf Ungeimpfte mit dem Finger zeigen, um von ihrer eigenen Unfähigkeit abzulenken.“ Am 4.4.2022 forderte er „Zahlen, Daten und Fakten aus NÖ Landeskliniken“ um die „Wahrheit über Corona-Zahlen in Spitälern ans Licht“ zu bringen. Denn die NÖ Landesgesundheitsagentur sage, dass weit mehr als die Hälfte der vermeintlichen Corona-Patienten in den NÖ-Landeskliniken gar nicht wegen Corona in Behandlung sei. „Vielmehr handelt es sich dabei um eine Zufallsdiagnose in Folge der betrieblichen Testung ohne jedweden Verdacht“. Jetzt also die Rückzahlung von Corona-Strafen, für jene, die sich nicht an Maßnahmen gehalten haben.
„Nach der schwarzen Kapitulations-Erklärung vor den blauen Impf-Gegnern in Niederösterreich kann Karl Nehammer seinen groß angekündigten Dialogprozess vergessen“, formuliert es Journalistenkolleg Josef Votzi von puls24. Und die FPÖ legt bereits nach und fordert nun auch in Kärnten von der künftigen Landesregierung einen Fonds wie in Niederösterreich. Dass die Rückzahlungen unter Jurist:innen umstritten sind, negiert Kärntens FPÖ-Chef Erwin Angerer und fordert „kreative“ Lösungen ein. Zugegeben, das Geld soll nicht nur für Rückzahlungen verwendet werden, sondern auch für Pandemiefolgen wie Bildungsdefizite (Sic!) und psychische Erkrankungen. Das Geld komme nicht nur Maßnahmenkritikern zugute, sagte ÖVP-NÖ-Klubobmann Jochen Danninger: „Menschen, die sich an alles gehalten haben, dürfen jetzt nicht die Dummen sein.“ Zumindest Wissenschafter:innen der im Kanzleramt angesiedelten GECKO-Kommission hatten gestern offenbar dieses Gefühl und kündigten ihren Rückzug an. Um dem zuvorzukommen und die Peinlichkeit für den Kanzler zu verhindern, hat sich dann die Kommission gleich ganz aufgelöst. (rüm)