Sinkende Beitragseinnahmen und hohe Arbeitslosigkeit: 421 Millionen weniger Beitragseinnahmen führen bei der ÖGK heuer zu 447 Millionen Verlust. Ohne Einnahmensausfälle durch die Coronakrise wäre es der ÖGK gelungen annähernd ausgeglichen zu bilanzieren.
Die Gebarungsvorschaurechnung der ÖGK liegt vor und sie bietet Licht und Schatten: Das erste Halbjahr 2020 war klar geprägt von der Coronakrise und den daraus entstandenen wirtschaftlichen Folgen. Das zeigt sich auch in der Gebarungsvorschaurechnung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Auf dem Höhepunkt der Coronakrise Anfang April waren um 217.000 weniger pflichtversichert Erwerbstätige gemeldet als im April des Vorjahres. Zum ersten Mal in der Geschichte sind die Beiträge der Erwerbstätigen gesunken – und zwar um 1,3 Prozent seit Anfang des Jahres. Das wirkt sich auf die Einnahmen der ÖGK aus.
Laut Gebarungsvorschaurechnung sind es nun 421 Millionen Euro weniger Beitragseinnahmen als im Februar angenommen, wobei etwaige Stundungsausfälle auf Grund von Insolvenzen als Auswirkung der Coronakrise, die heute noch nicht abschätzbar sind, darin nicht berücksichtigt werden. Diese würden bei der durchschnittlichen Dauer eines Insolvenzverfahrens erst in einigen Jahren schlagend werden. Das Geld fehlt der ÖGK aber bereits heute. Der Bilanzverlust für 2020 ergibt 447 Millionen Euro, für das Jahr 2021 rechnet die ÖGK mit 444 Millionen Euro. Bereits einkalkuliert in der Gebarungsvorschaurechnung ist die Soforthilfe des Bundes in der Höhe von 60 Millionen Euro. Der Fehlbetrag von 447 Millionen zeigt auch, dass weitere unterstützende Maßnahmen durch den Bund notwendig sind, teilt die ÖGK mit, die damit erstmals einräumt, dass man Hilfe braucht.
Es gibt aber Lichtblicke: Die Reform greift offenbar – denn ohne Corona würde die Kasse im ersten Jahr nahezu ausgeglichen bilanzieren. Außerdem hat die ÖGK nach eigenen Angaben bereits im ersten Halbjahr österreichweit die Leistungen für ihre Versicherten nach oben angeglichen. Im Rahmen der Leistungsharmonisierung wurde etwa der Bezug des Krankengeldes bundesweit auf bis zu 78 Wochen ausgedehnt. Auch die Selbstbehalte bei Krankentransporten wurden in ganz Österreich abgeschafft. Der Maximalbetrag für Heilbehelfe und Hilfsmittel wurde auf 1.432 Euro angehoben, für Rollstühle oder Prothesen gibt es sogar Zuschüsse von bis zu 3.580 Euro. Diese Maßnahmen schlagen mit rund 13 Millionen Euro zu Buche. Trotz Einnahmeneinbußen sei die ÖGK auch in dieser schwierigen Zeit ein verlässlicher Partner für ihre Versicherten, teilt die Kasse mit.
Verluste gibt es auch bei der Selbstständigenkasse SVS und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB). Die aktuelle Gebarungsvorschau der SVS zeigt ein Minus von 23 Millionen Euro für das Jahr 2020 und die Prognose für 2024 ein Minus von 32,4 Millionen Euro, sagt SVS-Obmann Peter Lehner. „Die Versichertenzahl ist konstant. Während im 2. Quartal die Vorschreibungen noch um 50 Millionen eingebrochen sind, liegen zwar die Vorschreibungen für das dritte Quartal mit 10 Millionen Euro noch immer unter dem Vergleichswert des Vorjahres, aber man kann Erholungs- und Aufholeffekte bereits erkennen“, erläutert der Obmann.
Auch die BVAEB erwartet im laufenden Jahr ein negatives Ergebnis. Das Minus soll bei 88 Millionen Euro liegen, teilte der Sozialversicherungsträger mit. Für das Jahr 2021 wird ein Minus – nach heutigem Stand – von 137,7 Millionen Euro veranschlagt. In die veranschlagten Zahlen seien einerseits die COVID-19-Auswirkungen einnahmen- und ausgabenseitig, andererseits auch die vollständige Leistungsharmonisierung im Zuge der Fusion der Versicherungen von Beamten (BVA), Eisenbahnern und Bergbau (VAEB) sowie der Betriebskrankenkasse der Wiener Verkehrsbetriebe eingeflossen. Ebenso seien veranschlagte Investitionen in die Modernisierung von Gesundheitseinrichtungen mit enthalten, hieß es. (rüm)
Tage der Wahrheit – neuer Streit um Verluste der ÖGK