Gesundheitsreform: Ringen bis zum Schluss

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Am Mittwoch sollen im Nationalrat der Finanzausgleich und das Gesundheitspaket der Regierung beschlossen werden. Offenbar wird aber noch immer über Details verhandelt.

Nach einer nur kurzen Begutachtungsfrist soll am Mittwoch eine umfangreiche Sammelnovelle, die eine der zentralen Grundlagen der Gesundheitsreform darstellt, im Nationalrat beschlossen werden. Es könnte allerdings noch Änderungen in letzter Sekunde geben. Vor allem die Ärztekammer macht Druck, dass die erleichterte Gründung und Zulassung von Ambulatorien ohne Mitsprache der Ärztekammer entschärft wird. Man fürchtet ein Einfallstor für Konzerne, die Regierung will so hingegen den Ausbau der niedergelassenen Versorgung ermöglichen.

Umstritten ist wie berichtet auch ein Bewertungsboard für teure Spitalsmedikamente der Länder. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) betont, dass nur fachkundige Vertreter:innen aus den Bereichen Humanmedizin und Pharmazie im Gremium sitzen werden. Überdies liege die Letztentscheidung bezüglich der Arzneimittel beim behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin bzw. beim Spital. Bisher habe jedes Krankenhaus eigene Verhandlungen mit den Pharmafirmen geführt, die zudem völlig intransparent abgelaufen seien. Alle Beteiligten würden daher glauben, dass sie „den besten Vertrag haben“. Diese „Einflugschneise für Lobbyisten“ (Rauch) solle es in Hinkunft nicht mehr geben.

Der Rest des Reformpaketes dürfte von diesem Blickpunkt ausbetrachtet weniger wichtig sein und wohl durchgewunken werden. Rauch betrachtet es jedenfalls als großen Erfolg, dass bis 2028 jährlich rund eine Milliarde Euro in das System fließen werden und der Einsatz der Mittel an Reformen geknüpft sei. Teil der Vereinbarung sind die „Zielsteuerung Gesundheit“, die die Eckpunkte und Inhalte der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern festlegt, sowie der Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens, die die Umsetzung der für den Gesundheitsbereich relevanten Teile des Finanzausgleichs für die Jahre 2024 bis 2028 abbildet.

Rund 115 Seiten umfassen die beiden zentralen Art. 15a-B-VG-Vereinbarungen, in denen die Eckpunkte der Gesundheitsreform festgelegt wurden. In der Einigung zwischen dem Bund und den neun Bundesländern bekennen sich die Vertragsparteien zu einer überregionalen und sektorenübergreifenden Planung und Steuerung sowie zur Sicherstellung einer gesamthaften Finanzierung des gesamten Gesundheitswesens. Ziel sei es, durch mehr Koordination und Kooperation die bestehenden organisatorischen und budgetären Partikularinteressen zu überwinden. Wie schon seit den Budgetberatungen bekannt, sollen von 2024 bis 2028 zusätzliche Mittel in das System fließen, um dringend erforderliche strukturelle Weichenstellungen vornehmen zu können. Für den niedergelassenen Bereich sind jährlich 300 Mio. € vorgesehen, also insgesamt 1,5 Mrd. € über die ganze Laufzeit des Finanzausgleichs gerechnet. Der spitalsambulante Bereich erhält allein im nächsten Jahr 550 Mio. €. Dieser Betrag erhöht sich schrittweise in den folgenden Jahren, wodurch sich bis 2028 eine Summe von rund 3 Mrd. € ergibt.

Basierend auf dem Finanzausgleich und den zentralen Art. 15a-Vereinbarungen im Gesundheitsbereich schlägt die Regierung Änderungen in insgesamt 13 Rechtsmaterien vor, die zum Großteil ab 1.1. 2024 in Kraft treten sollen. Die Sammelnovelle firmiert unter dem Titel „Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024“ (VUG) und umfasst rund 80 Seiten. Generell soll die Gesundheitsreform laut zuständigem Ressort bei folgenden Punkten ansetzen: Stärkung des niedergelassenen Bereichs, Strukturreformen in den Spitälern, Ausbau digitaler Angebote, Gesundheitsförderung und Vorsorge, Impfprogramme und Medikamentenversorgung. Durch die Optimierung der Patientenströme nach dem Prinzip „digital vor ambulant vor stationär“ soll auch ein effektiverer Einsatz der Ressourcen gewährleistet werden.

Um den niedergelassenen Bereich zu stärken, soll die Gründung von Gruppenpraxen, Primärversorgungseinheiten und Ambulatorien vereinfacht und das Leistungsangebot auch zu Tagesrandzeiten und an Wochenenden verbessert werden. Im Rahmen einer gesamthaften Planung der Versorgung wird die Anzahl der Kassenstellen, Ambulatorien oder Primärversorgungseinheiten auf regionaler Ebene festgelegt, wobei eben die Einspruchsmöglichkeit der Ärztekammer entfallen soll. Weiters findet sich in der Novelle das Bekenntnis zu einer Modernisierung und Vereinheitlichung des bundesweiten Gesamtvertrags samt harmonisierter Honorierung.  Weitere Fortschritte in der Digitalisierung des Gesundheitswesens sollen durch den Ausbau der Gesundheitsberatung 1450, die verpflichtende Anbindung der Wahlärzt:innen an das e-Card- und ELGA-System, eine verpflichtende Diagnosecodierung im niedergelassenen Bereich, die Einrichtung einer gemeinsamen behördlichen Datenauswertungsplattform sowie den Aufbau eines Terminmanagement-Systems erreicht werden.

Der Bund und die gesetzliche Krankenversicherung haben sich bei der Durchführung ihrer Maßnahmen an den vom Ministerrat und der Bundesgesundheitsagentur beschlossenen Gesundheitszielen Österreich zu orientieren. Eine zentrale Rolle kommt der Bundes-Zielsteuerungskommission zu. In diesem Gremium wird der Entwurf für den Zielsteuerungsvertrag beraten und dem Bund, dem Dachverband der Sozialversicherungsträger und den Ländern zur Beschlussfassung empfohlen. Die wichtigsten Planungsinstrumente für die kurz-, mittel- und langfristige integrative Versorgungsplanung sind der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) und die Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG). Der – zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung abgestimmte – ÖSG gibt den verbindlichen Rahmen vor, auf dessen Basis die konkrete Umsetzung auf Länderebene realisiert werden soll. Im RSG werden insbesondere die Kapazitätsplanungen für den stationären und ambulanten Bereich (z.B. Zahl und örtliche Verteilung der Leistungserbringer) festgelegt.

Priorisiert werden soll dabei der niedergelassene Bereich, wobei auf ein ausgewogenes Versorgungsangebot geachtet werden soll. Zudem soll eben die Gründung von Primärversorgungseinheiten, Gruppenpraxen und Ambulanzen erleichtert werden. Durch die vorgeschlagenen Änderungen soll zudem grundsätzlich das Gesamtvertragssystem modernisiert und weiterentwickelt werden, heißt es in der Begründung. Neu festgelegt wird daher etwa, dass die Träger der Krankenversicherung flexible Verträge mit freiberuflichen Ärzt:innen abschließen können, falls eine Planstelle des Stellenplans mindestens zwei Mal erfolglos ausgeschrieben wurde. Es soll auch die Möglichkeit geschaffen werden, dass Ärzt:innen, die bereits in der Nähe tätig sind, vorübergehend einige Stunden in der Woche als Vertragsärzt:innen arbeiten können. (rüm/pk)

Service: Gesundheitsreform