Gesundheitsreform: Was wirklich geplant ist

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Noch sind die Reformpläne in Verhandlungen und deshalb will die Regierung auch keinen konkreten Inhalt veröffentlichen. RELATUS kennt dennoch einige der Ideen.

Wenn die geplante Gesundheitsreform nicht „auf den Boden gebracht werde“, dann werde das System nach fünf Jahren mit Mehrkosten in der Höhe von 7 Mrd. € konfrontiert sein, rechnete Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zuletzt im Budgetausschuss des Nationalrates vor. Der aktuelle Haushaltsvorschlag 2024 sieht für den Bereich Gesundheit eine Steigerung der Ausgaben um 13,8 % auf 3,25 Mrd. € vor. Der große Rest der Gesundheitsausgaben läuft über den Finanzausgleich über Länder und Gemeinden sowie die Krankenversicherungen und nicht zuletzt Privatausgaben der Bevölkerung. Mit der Aufstockung der Bundesmittel will die Regierung künftig auch mehr mitgestalten und nicht nur Regeln vorgeben. Und das ist wohl eines der zentralen Elemente der geplanten Reformen.

Weiters enthält das ab 1. Jänner 2024 geltende Gesundheitsreformmaßnahmen-Finanzierungsgesetz die Schaffung von zusätzlichen 100 ärztlichen Vertragsstellen (also nicht wie von Bundeskanzler Karl Nehammer für heuer versprochen, Anm.), die Gewährung eines Startbonus für schwer zu besetzende Kassenpraxen von jeweils 100.000 € sowie die Ermöglichung von klinisch-psychologischer Behandlung auf Krankenschein. Insgesamt stellt der Bund den Krankenkassen für diese drei Maßnahmen allein im kommenden Jahr 110 Millionen Euro zur Verfügung.

Darüber hinaus wird der Gesundheitsminister dazu ermächtigt, per Verordnung nähere Bestimmungen zu treffen, um eine „angemessene und kontinuierliche“ Bereitstellung von Arzneimitteln bzw. Wirkstoffen für die Bevölkerung zu gewährleisten. Um die Medikamentenversorgung im Winter zu sichern, hat sich das Gesundheitsministerium mit dem Pharmagroßhandel (PHAGO) dazu bereits auf die auf die Schaffung eines Wirkstofflagers geeinigt, mit denen die Apotheken bei Bedarfsspitzen rasch wichtige Arzneien zubereiten können. Das Lager umfasst die nötigen Zutaten für gängige Antibiotika und für Medikamente gegen Erkältungssymptome. Zusätzlich zum Krisenlager wurde ein sogenannter Infrastruktursicherungsbeitrag für Medikamente mit einem Preis unter 3,93 Euro vereinbart. Der Bund wird dem Pharmagroßhandel damit einen Teil jener Mehrkosten abgelten, die in den vergangenen Jahren entstanden sind.

Weiters plant die Regierung die Einführung einer Wirkstoffverschreibung und die Möglichkeit, dass Apotheken künftig die Produkte auswählen sollen. Dabei wird es einerseits um die Verfügbarkeit von Produkten aber letztlich wohl auch um den Preis gehen. Den Apotheken wiederum wird die Einhaltung des Ökonomieprinzips, also der wirtschaftlichen Abgabe von Heilmitteln, vorgeschrieben. Hersteller und Großhändler dürfen zudem Medikamente künftig bis zum Verfallsdatum an Apotheken weitergeben. Zusätzlich wird bei Engpässen ein Import von Arzneien möglich, die in einem anderen EWR-Staat zugelassen sind. Apotheken dürfen weiters künftig Medikationsanalysen und einfache Gesundheitstests wie Blutdruckmessungen durchführen, die Einrichtung von ausgelagerten Abgabestellen und Filialapotheken wird erleichtert. Zudem können sie werktags zwischen 6.00 und 21.00 Uhr und samstags zwischen 6.00 und 18.00 Uhr öffnen.

Für die Bewertung des Einsatzes hochpreisiger und spezialisierter Arzneispezialitäten kommt ein bundesweit einheitlicher Bewertungsprozess („Bewertungsboard“) zum Einsatz. Ein entsprechendes Gremium dafür soll ähnlich des Obersten Sanitätsrates im Ministerium angesiedelt und vom Minister bestellt werden. Fix ist, dass auch Mediziner:innen im Gremium sein sollen und dass es nur Empfehlungen ausspricht. „Das Bewertungsboard bewertet keine individuellen Krankheitsfälle, sondern evaluiert nach sachlichen und wissenschaftlichen Kriterien den Einsatz eines neuen Medikaments“, erklärt Rauch.

In den vergangenen Jahrzehnten sei es zu einer Reihe von Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen gekommen, denen man mit einem Bündel an Maßnahmen entgegenwirke wolle, erklärte Rauch zudem. Um die Spitäler zu entlasten, sei es wichtig, die Einrichtung von Primärversorgungseinheiten (PVE) voranzutreiben. Dabei sei man auf einem sehr guten Weg, da seit Mitte des Jahres, als Erleichterungen für die Gründung dieser Zentren beschlossen wurden, ein regelrechter Boom eingesetzt habe. In den vergangenen Monaten habe es 30 neue Anträge gegeben, fünf davon für spezielle Kinder-Primärversorgungeinheiten. Die Österreichische Gesundheitskasse bekommt den Auftrag bis längstens 31. Dezember 2025 einen bundesweit einheitlichen Gesamtvertrag mit Wirksamkeit spätestens zum 1. Jänner 2026 abzuschließen. Für den Fall, dass bis zu diesem Zeitpunkt kein Gesamtvertrag abgeschlossen wurde, gelten die zum 31. Dezember 2025 bestehenden regionalen Gesamtverträge samt der zu diesem Zeitpunkt geltenden Honorare bis zum Abschluss eines bundesweit einheitlichen Gesamtvertrages unverändert weiter. Anpassungen der Honorarhöhe in den regionalen Gesamtverträgen sind ab diesem Zeitpunkt unzulässig.  Aus der Regierung ist zu hören, dass man damit Druck auf Ärztekammer und ÖGK machen will, zu einer einheitlichen Lösung zu kommen. Seit Monaten geben sich beide gegenseitig die Schuld an den Verzögerungen.

Bei der Stellenplanung und Ambulatoriumsfragen sollen Landesärztekammern künftig nicht mehr mitentscheiden dürfen. Die Kompetenz wird in die Zielsteuerungskommissionen verlagert. Im Bereich der Gesundheitstelematik will man sich besser gegen Cyberangriffe wehren können, dafür wird eine Stelle namens „Austrian Health CERT“ eingerichtet. Das Portal für die Elektronische Gesundheitsakte ELGA wandert aus der Verantwortung des Dachverbands der Sozialversicherungsträger direkt an das Gesundheitsministerium. Die Verpflichtung zur ELGA-Nutzung auch für Wahlärzte kommt per Jahresbeginn 2026. Auch die e-Card-Nutzung wird ihnen vorgeschrieben. Zudem werden die Ärzte ab 2025 zur Diagnose- und Leistungscodierung verpflichtet.

Im Zuge der Beratungen über das Budgetbegleitgesetz wurden auch Änderungen im Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz (GESG) vorgeschlagen. Diese beinhalten eine vorübergehende Erhöhung der Basiszuwendung für die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) von 54,5 Mio. € auf 70,6 Mio. € (2024) bzw. 78,7 Mio. € (2025). Begründet wird diese Maßnahme damit, dass die AGES aufgrund von EU-rechtlichen Verpflichtungen neue Aufgaben übernommen hat und Zusatzeinkünfte aus COVID-19-Maßnahmen entfallen sind. Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) wiederum soll 2024 für ihr Arbeitsprogramm und die administrativen Aufwendungen 14,6 Mio. € erhalten. (rüm)