Das im Frühjahr eröffnete Gewaltschutzzentrum an der Innsbrucker Klinik zieht nach den ersten acht Monaten eine traurige Bilanz: Das Zentrum samt Ambulanz wird definitiv gebraucht.
Seit bereits acht Monaten gibt es ein Gewaltschutzkompetenzzentrum mit rechtsmedizinischer Gewaltschutzambulanz in Tirol. Das Zentrum ist an der Innsbrucker Klinik angesiedelt und das erste seiner Art in Österreich – und das, obwohl es Angebote dieser Art offensichtlich braucht, denn laut den Leitern ist das Zentrum „erschreckend gut“ angelaufen. In den ersten acht Monaten seien 194 Patient:innen betreut worden, zogen die Leiter Klaus Kapelari und Thomas Beck im APA-Interview eine erste Bilanz. Insgesamt wurden in den ersten acht Monaten rund 510 psychologische Gespräche geführt. Unter den seit März 194 Betreuten seien 83 Kinder und Jugendliche gewesen, bei den Erwachsenen waren 70 Prozent Frauen. Vielfach habe sich gezeigt, dass sich im Falle betroffener Kinder der Kreis weiterziehe – und es im familiären Umfeld weitere Betroffene: Konkret seien in fünf von insgesamt 65 Fällen häuslicher Gewalt auch Kinder involviert gewesen. In fünf von 83 Kinderschutzfällen hätte sich dahinterliegende Partnergewalt herausgestellt.
Ziel des Gewaltschutzzentrums ist es, eine niederschwellige Anlaufstelle für Gewaltopfer zu sein und gleichzeitig Gesundheitspersonal zu sensibilisieren. Bei der rechtsmedizinischen Gewaltschutzambulanz wiederum gehe es auch um lückenlose Dokumentation, auch für den Fall etwaiger Strafverfahren. Bei 20 der seit März betreuten Patient:innen sei nachträglich eine polizeiliche Anzeige erfolgt. Auch das bereits 2021 eingeführte Codewort „Dr. Viola“ wird laut den Leitern circa einmal im Monat genutzt – von Gewalt betroffene können mit der Frage nach Dr. Viola unauffällig auf Gewalterfahrungen hinweisen. „Überrascht“ zeigte sich Leiter Kapelari wegen des vergleichsweise hohen Anteils von Betroffenen psychischer Gewalt. Dies sei ein wichtiger Ansatzpunkt für nötige Schulungen sowohl im medizinischen Ausbildungsbereich wie auch bei weiteren Berufsgruppen wie Pädagog:innen. Für weitreichendere bereits möglichst früh ansetzende Prävention wünschte sich der Kinder- und Jugendfacharzt etwa die Einführung entsprechender Fragen im Eltern-Kind-Pass. Hier könnte man „Belastungssituationen“ rasch identifizieren und dementsprechend gewisse Risiken abfangen – Stichwort „Schütteltraumata“. (kagr/APA)
SERVICE: In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, u. a. Hilfe und Informationen bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555, www.frauenhelpline.at; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at; der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie/Gewaltschutzzentrum Wien: www.interventionsstelle-wien.at und beim 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 sowie beim Frauenhaus-Notruf unter 057722 und den Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217; Polizei-Notruf: 133