Die Verteilung eines möglicher Corona-Impfstoff könnte problematischer werden als gedacht. Der Biontech/Pfizer-Impfstoff muss bei einer Temperatur von minus 70 Grad Celsius transportiert werden und kann nicht lange im Kühlschrank gelagert werden.
300 Millionen Dosen eines potenziellen Impfstoffes will die Europäische Kommission vom deutschen Impfstoffentwickler Biontech und dessen US-Partner Pfizer kaufen. Die größte Herausforderung bei der Verteilung ist allerdings, dass der Impfstoff bei einer Temperatur von minus 70 Grad Celsius transportiert werden muss und nicht lange im Kühlschrank gelagert werden kann. Biontech und Pfizer hatten am Montag positive Ergebnisse in der entscheidenden Studie mit ihrem Corona-Impfstoff verkündet. Demnach bietet die Impfung einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor COVID-19. Genaue Daten wurden allerdings noch nicht veröffentlicht.
„Wir werden den Impfstoff bei minus 70 Grad verschiffen, er wird dann in zentralen Sites bei minus 70 gelagert, und wenn er dann zur Anwendung kommt, kann er dann fünf Tage im Kühlschrank gehalten werden oder bei Kühlschranktemperatur transportiert werden“, erläuterte Biontech-Chef Ugur Sahin im Reuters-Interview. Es werde weiter daran geforscht, bei welcher Temperatur der Impfstoff wie lange haltbar bleibe. Weitere Erkenntnisse würden im Dezember erwartet.
Wie Pfizer am Dienstag mitteilte, ist für die Lagerung von Impfdosen bereits ein besonderer Thermo-Koffer entwickelt worden. Darin könnten sie dank Trockeneis bis zu zehn Tage bei einer Temperatur von etwa minus 75 Grad Celsius gelagert werden. In den Impfzentren könnten nach Angaben des Pharmakonzerns kleine, tragbare Ultra-Niedrig-Temperatur-Gefrierschränke angeschafft werden, die die Haltbarkeit auf bis zu sechs Monate verlängern könnten, hieß es. Nach heutigem Stand könne der potenzielle Impfstoff, sobald er den Ort des Impfens erreicht hat, nicht länger als fünf Tage bei zwei bis acht Grad gelagert werden. Experten sehen darin die größte Aufgabe für die Logistik: „Die Kühlkette ist einer der herausforderndsten Aspekte bei der Lieferung dieses Impfstoffs“, sagte Amesh Adalja vom Johns Hopkins Center for Health Security.
„Es steht uns die größte Impfaktion bevor, die das Land je gesehen hat“, betont Gerhard Kobinger, Präsidiumsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer. Um diese erfolgreich zu planen und umzusetzen, bedürfe es erheblicher Anstrengungen. Damit diese einzigartige Impfaktion erfolgreich wird, brauche es rechtzeitig eine Impfstrategie, die die Rahmenbedingungen der COVID-19-Impfung klar festlegt und die Vorgaben für die Impfstofflogistik definiert. „Die Apothekerinnen und Apotheker sollten hier mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung bei Impfaktionen von Beginn an in das Impfstoff-Management eingebunden werden, damit eine geordnete Verteilung des Impfstoffs sichergestellt ist“, fordert Kobinger. Die Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen gehört zu den Kernleistungen der heimischen Apotheken.
Die Euphorie dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zurzeit erforschten Wirkstoffe noch einiges an Tests zu bestehen haben, sagt Alexander Herzog, Generalsekretär des Pharmaverbandes Pharmig: „So muss beispielsweise geklärt werden, bei welchen Menschen der Wirkstoff gut wirkt, wo dagegen nur bedingt oder gar nicht“, gibt er zu bedenken. Dabei geht es beispielsweise darum, ob Erwachsene anders als Kinder auf den Wirkstoff reagieren und wie sich die neue Therapie bei Personen unterschiedlicher Ethnien und Populationen verhält. „Es ist daher umso erfreulicher, dass derzeit mehrere Impfstoff-Kandidaten im Rennen sind und einige davon schon in groß angelegten Studien erprobt werden“, sagt Herzog. (red)