Bei der Debatte rund ums Impfen in Österreich verhärten sich die Fronten. Während die Ärztekammer Impfkosten kritisiert, will ein immer größerer Block Impfungen in Apotheken ermöglichen.
Österreich ist laut WHO bei der Dreifachimpfung (Diphterie-Tetanus-Keuchhusten) weltweit auf Platz 130 von 190 Ländern, in Europa sogar auf dem letzten Platz. Bei anderen Impfungen sieht es nicht viel besser aus, weshalb Stakeholder nun erneut Maßnahmen fordern, um das Impfangebot auszuweiten und die Teilnahme daran zu fördern. Bei einigen Punkten – wie der Forderung nach kostenfreien Impfungen – herrscht Einigkeit unter den Akteur:innen des Gesundheitswesens, bei anderen – wie dem Impfen in Apotheken – nicht. „Rund 2.500 Apotheker:innen sind dazu ausgebildet, impfen zu können. Sie stehen in bundesweit 1.000 Apotheken bereit, um den Menschen wohnortnah, sicher und unkompliziert eine Influenza-, FSME- oder Covid-19-Auffrischungsimpfung anzubieten“, betonte Apothekerkammer-Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Dabei geht es um Auffrischungsimpfungen für Erwachsene, unterstrich Mursch-Edlmayr, Impfungen für Kinder und Risikopersonen sollen weiterhin nur in Ordinationen stattfinden. Die Dokumentation würde über die E-Card erfolgen, bei Notfällen gäbe es Equipment wie EpiPens vor Ort, die Rettung müsste man beispielsweise im Falle eines anaphylaktischen Schocks – wie es auch Ärzt:innen tun – sowieso rufen. Rückhalt erhielt Mursch-Edlmayr für ihre Forderung beim Pressetermin von Andreas Huss, Vize-Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Michaela Wlattnig, oberste Patientenvertreterin, Ingrid Korosec vom Österreichischen Seniorenrat und Peter Kostelka vom Pensionistenverband Österreichs. Sie alle sprechen sich klar für eine Ausweitung des Impfangebots durch ein Teilnehmen der Apotheken am Impfprogramm aus. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) war bei dem Termin zwar nicht persönlich anwesend, tat seine Unterstützung für die Forderung aber über ein schriftliches Statement kund.
Für ÖGK-Obmann Huss überwiegen die Vorteile von Impfungen in Apotheken klar: „Aus anderen europäischen Nachbarländern gibt es gute Beispiele, die wir uns abschauen können. Es ist nur mehr eine Frage der Zeit, aber das Impfen in Apotheken wird kommen. Die Frage ist, wie lange der Widerstand noch anhält.“ Huss spielt damit auf die Einstellung der Ärztekammer an, die sich vehement gegen das Impfen in Apotheken ausspricht. In einer aktuellen Aussendung der Österreichischen Ärztekammer fragt deren Präsident Johannes Steinhart beispielsweise, warum sich Patient:innen „mit weniger als dem Goldstandard, also dem Impfen bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zufriedengeben“ sollten. „Impfen gehört in die Hände der Familienärztinnen und -ärzte“, meinte auch der Präsident der Ärztekammer Steiermark, Michael Sacherer, am Dienstag in einer Aussendung. Damit auch Apotheker:innen impfen dürfen, braucht es laut Huss allerdings nicht die Zustimmung der Ärztekammer. Es werde bereits über notwendige gesetzliche Rahmenbedingungen gesprochen und verhandelt, am Ende brauche es dann einen parlamentarischen Beschluss. Mursch-Edlmayr fügte hinzu, dass Erfahrungen aus Nachbarländern zeigen, dass dort, wo in Apotheken geimpft wird, gleichzeitig auch mehr Menschen Impfangebote in Ordinationen wahrnehmen würden – „Davon profitieren also alle.“
Einigkeit herrscht bei den Stakeholdern zumindest beim Thema Impfkosten. Im Rahmen der Gesundheitsreform stellen Bund, Länder und Sozialversicherung 90 Millionen Euro zusätzlich für das Impfangebot in Österreich zur Verfügung. Diese sollen laut Ärztekammer, Apothekerkammer, ÖGK, Pensionistenverband, Seniorenrat und auch der Industrievertretung Pharmig in eine Ausweitung des Impfprogramms für Erwachsene gesteckt werden. Laut den Expert:innen sei es dringend notwendig, Impfungen wie jene gegen Pneumokokken, RSV oder das Herpes-Zoster-Virus kostenfrei anzubieten, denn vor allem für ältere Menschen, für die diese Impfungen lebenswichtig sein können, wären sie eine hohe finanzielle Belastung. Die Forderung aller lautet daher, dass Impfungen aus dem Impfprogramm kostenfrei angeboten werden sollen. „Wir sollten damit beginnen, Zielgrößen für die Durchimpfungsraten bei den einzelnen Impfungen festzulegen“, fordert darüber hinaus die Präsidentin des Verbands der Impfstoffhersteller Renée Gallo-Daniel. „Diese lassen sich zum Teil aus internationalen Empfehlungen ableiten, andere müssen anhand der lokalen Epidemiologie definiert werden. Wenn diese Zielgrößen vorliegen, können die entsprechenden Maßnahmen geplant und alle Ressourcen gebündelt werden, um sie zu erreichen.“ Außerdem gäbe es dadurch sowohl für die Beschaffungsstellen der öffentlichen Impfprogramme als auch für die Impfstoff-herstellenden Unternehmen mehr Planungssicherheit und es könne sichergestellt werden, dass ausreichend Impfstoff verfügbar sei. (kagr)