Die Impflotterie der Bundesregierung kommt nicht, das dafür reservierte Geld soll an Gesundheitspersonal gehen. Diskutiert wird weiter über ein Aussetzen der Impfpflicht. Gesundheitsexperten sind dagegen.
Der Schwenk einiger Landeshauptleute, die noch im November von der Bundesregierung für ihre Zustimmung zum Lockdown die Einführung der Impfpflicht erzwungen hatten, sorgt für weitere Debatten. Während manche Länder nun ein Aussetzen der Impfpflicht fordern, zeigt sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) vorsichtig. Wenn sich die von der Regierung beauftragten Experten dafür aussprechen, das Gesetz auszusetzen, werde man das machen, erklärte Nehammer in der „Kronen Zeitung“ am Sonntag. Er sagt in jedem Fall endgültig die Impflotterie ab, weil sie nicht umsetzbar ist und schlägt vor, das dafür vorgesehene Geld jenen Menschen zukommen lassen, die in der Pandemie viel geleistet haben. Konkret nennt er das Gesundheits-und Pflegepersonal, aber auch die Bundesheersoldaten und die Polizei. Er sei diesbezüglich in Gesprächen mit dem Koalitionspartner.
Zur Impfpflicht betonte der Kanzler, dass das Gesetz ohnehin ständig evaluiert werde, „genau das fordern jetzt die Landeshauptleute“. Solange die Experten der Kommission sagen: „‚Ja, das Impfen ist das probate Mittel‘, bleibt die Impfpflicht natürlich aufrecht“, betonte der Kanzler. Wenn aber die Experten der Regierung vorschlagen, das Gesetz abzusagen, werde man das tun. Das dürfte allerdings im Hinblick auf mögliche neue Wellen im Herbst nicht passieren, lässt die Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit, Katharina Reich, durchblicken. „Ich glaube, dass es gut ist, hier Linie zu halten und beschlossene Dinge durchzuziehen“, sagte Reich am Wochenende. Auch die Ärztekammer stellte klar, dass sie nach wie vor zur Impfpflicht steht. Niemand wisse, wie die Corona-Lage im Herbst aussehen wird. „Wenn dann erst wieder eine Impfpflicht ausgerollt werden muss, verlieren wir wertvolle Zeit, um unsere Gesundheitseinrichtungen vor möglicher Überlastung zu schützen. Nur eine hohe Durchimpfungsrate kann uns mit Zuversicht in den Herbst gehen lassen“, hieß es in einer Aussendung.
„Es ist gut, vereinbarte Dinge zu tun, das gibt Verlässlichkeit“ für die Bevölkerung, betonte Reich am Rande des wöchentlichen Online-Impfupdates des Landes Steiermark. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) hatte bereits am Donnerstag gesagt, er habe die Impfpflicht immer gefordert. Sie komme für Delta und Omikron zweifellos zu spät, aber es sei gut, dass sie komme. Unterstützung kam bei dem Online-Gespräch von der steirischen Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP): „Die Impfpflicht ist notwendig, weil wir auf den Herbst gut vorbereitet sein müssen.“ Es sei der Politik ja vorgeworfen worden, im vergangenen Jahr sozusagen in den Sommerschlaf gegangen zu sein. Reich sagte auf entsprechende Medienfragen weiters, es werde weitere Impfkampagnen geben. Dies liege bei der Gecko, seit Februar sei da auch eine neue Agentur dabei, um eine neue Kampagne aufzusetzen.
Nachdem zuletzt aus einigen Bundesländern vermehrt kritische Stimmen zur Impfpflicht aufgekommen waren, steigt Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz ebenfalls wieder auf die Bremse. Vor einem „generellen Abschaffen“ der Impfpflicht würde er „sogar warnen“, sagte Wallner in der ORF-Sendung „Vorarlberg Heute“. Er wäre da „ein bisschen vorsichtiger“. In puncto Impfpflicht plädierte Wallner dafür, „mit den Experten zu klären, wie der Herbst aussieht“. Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnt indes vor zu weitgehenden Lockerungen der Corona-Maßnahmen. Man erwarte den Höhepunkt der Omikron-Welle Mitte bis Ende Februar, sagte er am Freitag in Berlin. Es gebe „keinen Raum für massive Lockerungen zu diesem Zeitpunkt“. Überzogene Lockerungen würden die Pandemie nur verlängern. Der deutsche Gesundheitsminister verwahrte sich gegen den Vorwurf, er sei übervorsichtig. Er sei verantwortlich für den Schutz der Bevölkerung. Er finde es schade, dass man sich offenbar daran gewöhnt habe, dass derzeit in Deutschland 150 bis 200 Menschen pro Tag an den Folgen einer Corona-Infektion sterben würden. (rüm)