Die COVID-19-Pandemie verdeckt derzeit im Gesundheitswesen andere heiße Debatten. Eine davon betrifft die Finanzierung und Verfügbarkeit von innovativen Therapien. Die Spitalsträger versuchen hier offenbar massiv, Kosten zu senken.
Die Nachricht überraschte: 90 von der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (OeGHO) befragte Krebsspezialisten haben vor kurzem mehrheitlich erklärt, dass Anwendungsbewilligungen für innovative Therapien für Krebspatienten in Österreichs Spitälern zunehmend schwieriger zu erreichen sind. Statt Tumorboards treffen immer öfters Innovationsboards Entscheidungen darüber, welche Therapie zum Einsatz kommt. Der Verband der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) fordert deshalb ein transparentes Bewertungs- und Bewilligungssystem samt neuen Finanzierungsformen in den Spitälern, wo diese Therapien zunächst zumeist zur Anwendung kommen. „Wir kennen das System der Heilmittelevaluierungskommission (HEK). Das kommt aus dem extramuralen Bereich und betrifft vor allem Standardtherapien. Bei den Spitälern ist natürlich der Wunsch gegeben, neue und innovative Therapien ins Krankenhaus zu bringen. Aber für sie fehlt oft noch die Erfahrung. Deshalb gibt es zunehmend Innovationsboards, die Empfehlungen geben sollen. Das hängt dann aber auch mit den Kosten zusammen. Die Spitalsträger sind durchaus bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Aber sie wollen auf der sicheren Seite sein“, erklärte Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog gegenüber der APA. Während die Kostenerstattung von Medikamenten außerhalb der Spitäler über HEK-Beschlüsse geregelt ist, gibt es das für die Krankenhäuser mit ihren (Landes-)Trägergesellschaften bisher nicht. Immer häufiger haben Experten in der jüngsten Vergangenheit auf Probleme aufmerksam gemacht.
„Es gibt seit zwei Jahren einen Pilotversuch mit einer ‚Spitals-HEK‘, die beim Dachverband der Sozialversicherungen angesiedelt ist. Bisher wurden aber nur zwei Empfehlungen zu Therapien ausgesprochen“, sagt Ronald Pichler, bei der Pharmig auch zuständig für Themen des Marktzuganges. Er verweist auf die Mängel dieser Pilot-Konstruktion: „Es gibt kein Antragsverfahren. Es gibt keine Parteienstellung. Es gibt keine Transparenz. Das ist unsere Sorge.“ Patienten, Ärzte, Pharmaindustrie und Kostenträger bräuchten aber für ein funktionierendes System etwas ganz Anderes: „Es geht darum, dass transparente Entscheidungen auf einer rechtlich geregelten Basis getroffen werden. Es sollte eine medizinische Evaluierung innovativer Therapien auf der Basis der europäischen Zulassung erfolgen. Es darf zu keiner Verquickung von medizinischen Erfordernissen und ökonomischen Zwängen kommen“, sagt Herzog. Inakzeptabel seien in Österreich jedenfalls zwei Situationen: Ein Nomadentum von Schwerstkranken von Bundesländern, wo eine neue Therapie nicht finanziert wird, in andere Regionen mit gesicherter Finanzierung und die Notwendigkeit, Ansprüche langwierig vor Gericht durchsetzen zu müssen. Diese Zeit haben viele Betroffene nämlich nicht, ganz abgesehen von Mühen und Kosten. (APA)