Intensivmediziner ortet weiterhin fehlende Betten

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Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), Walter Hasibeder, erklärt im RELATUS-Sommergespräch, was es für die beste Versorgung während der Pandemie und danach braucht.

Die vergangenen zwei Pandemiesommer galten als Verschnaufpause für die Gesundheitsversorgung – jetzt sind die Corona-Zahlen für diese Jahreszeit ungewöhnlich hoch und steigen sogar. Wie sieht es derzeit auf den Intensivstationen aus? Derzeit ist zum Glück wenig los. Bei uns im Krankenhaus gibt es seit mehreren Wochen nur einen Covid-19-Patient:innen auf der Intensivstation und auch in anderen Tiroler Krankenhäusern ist es ruhig. Auf den Normalstationen schaut das schon anders aus, dort gibt es immer wieder Covid-19-Patient:innen. Teilweise mit klassischen Covid-19-Symptomen, teilweise ist es aber ein Zufallsbefund – jemand kommt aufgrund eines Unfalls ins Spital, dort wird festgestellt, dass die Person positiv ist und wird daher isoliert. In den vergangenen Wochen waren es in Tirol 8-17 Personen, die Situation ist von Bundesland zu Bundesland aber sehr unterschiedlich. Stationär steigen die Zahlen allerdings österreichweit langsam wieder an. Laut Prognosen können wir bald 2.000 Patient:innen erwarten. Und auch die Zahlen im Intensivbereich nehmen wieder leicht zu.

Wurden die Intensivkapazitäten in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren aufgestockt, um eine ausreichende Versorgung zu garantieren? Es fehlt nach wie vor an Intermediate-Care-Betten und möglicherweise auch bald an Betten der Kategorien 2 und 3. Es gibt zwar Pläne und eine Absichtserklärung der Bundesregierung, aber damit sind die Länder nicht zufrieden. Es ist also noch nicht viel passiert. Unser größtes Problem ist der Föderalismus. Es gibt viele gute Absichten und ich bin mir sicher, dass sowohl die Corona-Kommission als auch der Krisenstab der Regierung nur Gutes wollen, aber es scheitert an der Umsetzung. Ärzt:innen haben wir genug gehabt, es mangelt aber am Pflegepersonal.

Was muss also getan werden, um den Herbst gut zu überstehen und mehr Pflegepersonal zu bekommen? Kurzfristig wird der Pflegemangel ein Riesenproblem werden. Langfristig braucht es einfach mehr ausgebildetes Pflegepersonal, derzeit gibt es zu wenig. Das liegt vielleicht auch an der Akademisierung des Berufes – abgeschreckt werden die Leute aber vor allem von den Arbeitszeiten, da braucht es mehr Flexibilität. Der Pflegeberuf ist nach wie vor weiblich, viele der Pflegerinnen haben Familie und wollen lieber Teilzeit arbeiten. Das muss man ihnen anbieten, bei uns funktioniert das super – sowohl in der Pflege als auch bei den Ärzt:innen. Gut ausgebildete Pfleger:innen und Ärzt:innen in Teilzeit sind meiner Erfahrung nach diejenigen, die dann oft einspringen und dabei noch motiviert sind. Die Dienstplangestaltung ist durch Teilzeitangestellte vielleicht komplizierter, aber es zahlt sich aus. Wenn die Kinder größer sind, fangen viele auch wieder Vollzeit an.

Wie kann man vor allem junge Menschen für den Pflegeberuf und/oder die Intensivmedizin begeistern? Neben flexiblen Arbeitszeitmodellen sollte auch die Ausbildung angepasst werden. Es braucht eine Weiterbildung für das Fachpflegepersonal in den Krankenhäusern, wo beispielsweise die Grundlagen der Respiratortherapie gelernt werden, um sie fit für den Einsatz auf der Intensivstation zu machen. Eine Spezialisierung in Anästhesie und Intensivpflege – und zwar gemeinsam – wäre ideal und auch für das Personal interessant. Man kann rotieren, neue Bereiche kennenlernen und erhält ein breiteres Leistungsspektrum. Auch beim ärztlichen Personal bringt der Austausch der Fachbereiche Anästhesie und Intensivmedizin viel, das haben wir in den letzten Wellen der Pandemie gesehen. Das Personal ist so überall einsetzbar.

Im Sommer ist nicht nur Corona eine Gefahr, auch die durch die Klimakrise verstärkte Hitze setzt den Menschen zu. Wie kann hier präventiv gehandelt werden, um sowohl Patient:innen und Gesundheitspersonal zu schützen und vorzubereiten? Ein wichtiger Punkt ist die Stadtplanung, denn die Lage wird sich zuerst in Städten zuspitzen, wo die Temperaturen durch Bodenversiegelung höher sind. Hier braucht es mehr Begrünung und die Bodenversiegelung muss reduziert werden – letzteres auch am Land. Ein Positivbeispiel beim Umgang mit der Hitze ist Wien, dort soll es für Pflege- und Altersheime sogenannte „Chillräume“, also gekühlte Räume, geben, wo sich die Menschen von den hohen Temperaturen erholen können. Bei uns im Krankenhaus weisen wir während einer Hitzeperiode sowohl die Patient:innen als auch das medizinische Personal darauf hin, viel zu trinken. Auf den Intensivstationen und vor allem in der Anästhesie haben wir aber Glück, dort sind die Räume klimatisiert. Auf den Normalstationen ist es oft eine Katastrophe. (Das Interview führte Katrin Grabner)