Jetzt drohen Streiks in der Pharmabranche

Symbolbild © AstraZeneca

In der pharmazeutischen und chemischen Industrie stehen die Zeichen auf Arbeitskampf: Die Kollektivvertragsverhandlungen für die 50.000 Beschäftigten scheiterten auch in der fünften Runde.

Für Einkommen bis 4.000 Euro eine Erhöhung um 5,8 Prozent, für Gehälter darüber eine etwas niedrigere prozentuelle Erhöhung – das hat der Fachverband der chemischen Industrie am Dienstag den Beschäftigten angeboten. Der Gewerkschaft ist das zu wenig: „Das Angebot der Arbeitgeber von durchschnittlich 4,61 Prozent Lohn- und Gehaltserhöhung liegt immer noch deutlich unter der durchschnittlichen Inflationsrate der letzten 12 Monate von 6,33 Prozent. In fünf Verhandlungsrunden gab es bloß eine Bewegung der Arbeitgeber im Promillebereich“, merkten die Arbeitnehmer-Vertreter:innen an. Ab Mittwoch werden nun neuerlich Betriebsversammlungen einberufen und anschließend gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen beschlossen, teilten die Gewerkschaften GPA und PRO-GE mit.

„Es ist völlig unverständlich und wirtschaftlich nicht darstellbar, warum ausgerechnet in der Chemischen Industrie im Unterschied zu anderen Branchen der Frühjahrsrunde kein Abschluss an der Inflationsrate möglich sein soll“, sagen die Chefverhandler Alfred Artmäuer (PRO-GE) und Günther Gallistl (Gewerkschaft GPA). Als Affront empfinden die Gewerkschafter auch die Tatsache, dass die Arbeitgeber über drei Wochen lang keine weiteren Verhandlungstermine anbieten. Das bedeute, dass die Beschäftigten auf eine Lohn- und Gehaltserhöhung warten müssen.

Als standortschädigend bezeichnet Arbeitgeberverhandler Berthold Stöger vom Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO) die Forderung der Arbeitnehmer-Vertretung. „Das ist, als würde man ungedeckte Schecks ausstellen und mehr hergeben, als man erwirtschaftet hat.“ Stöger weiter: „Streikdrohungen bringen uns nicht weiter und schaden allen Beteiligten in der ohnehin schon wirtschaftlich schwierigen Lage.“ Die chemische Industrie gehöre seit Jahrzehnten zu den Arbeitgebern mit den bestbezahlten Arbeitsplätzen für die rund 50.000 Mitarbeiter:innen und zählte zu den Spitzenreitern bei den Zulagen und Zuschlägen. Allein die Chemie-Abschlüsse der vergangenen zwei Jahre brachten den Mitarbeiter:innen eine Erhöhung von insgesamt 15,3 Prozent. Die schlechte Auftragslage in der chemischen Industrie sei eine Tatsache und halte leider weiter an. „Nach einem Produktionsrückgang von 10,4 Prozent im Vorjahr sind die Auftragseingänge weiter rückläufig“, erklärte Stöger.

Die Gewerkschaft hält dagegen: Wenn sich die Verhandlungsweise auf Arbeitgeberseite nicht ändere und „wenn scheinbar einige wenige Hardliner weiter den Takt vorgeben, dann müssen der gesamten Branche und vor allem den Großbetrieben die Konsequenzen bewusst sein“, betonten Artmäuer und Gallistl. Trotz Abbau von Beschäftigten in der Vergangenheit laufe die Produktion in den Betrieben weiterhin vollkontinuierlich durch – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Dieser Einsatz der Arbeitnehmer:innen gehöre abgegolten.

Auch in Deutschland spitzt sich die Situation zu: Zum Auftakt der deutschen Tarifverhandlung für rund 585.000 Beschäftigte der Chemie- und Pharma-Industrie haben die Arbeitgeber am Dienstag zunächst kein Angebot vorgelegt. Der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) hatte bereits vor dem Treffen am Dienstag angekündigt, zunächst über die angespannte wirtschaftliche Lage der Branche sprechen zu wollen. Die Gewerkschaft ist mit einer Forderung nach 7 Prozent mehr Geld in die Verhandlung gegangen. Messbare Vorteile könnten mehr Freizeit, mehr Geld oder eine bessere soziale oder gesundheitliche Absicherung für Gewerkschaftsmitglieder sein. (rüm/ag)