Weil zahlreiche Schmerzmittel nicht erhältlich sind, kommt es in der Versorgung zu Problemen. Fachgesellschaften fordern die Verantwortlichen zum Handeln auf und die Einbindung der Apotheken.
Die Lieferengpässe im Bereich der Schmerzmittel halten weiterhin an. Das führt nun dazu, dass immer mehr Palliativmediziner:innen von den Leitlinien-konformen Therapien abweichen müssen. Besonders der Mangel an Opioiden macht den Mediziner:innen – und in Folge den Patient:innen – zu schaffen. In einer Aussendung ruft die Österreichische Palliativgesellschaft (OPG) nun die Stakeholder des heimischen Gesundheitssystems dazu auf, die Versorgungssicherheit wieder herzustellen. „Die Versorgungssicherheit für unsere wichtigsten Arzneimittel muss im Interesse des Gesetzgebers liegen und kann nicht nur durch marktwirtschaftliche Gesetze geregelt werden“, fordert Dietmar Weixler, Präsident der OPG. Auch die Österreichische Schmerzgesellschaft zeigt sich besorgt.
„Die OPG bittet die Österreichische Ärztekammer, den Dachverband der Sozialversicherungsträger und das Bundesministerium für Gesundheit die OPG in diesem Anliegen zu unterstützen, da im kommenden Herbst mit einer neuerlichen Verknappung zu rechnen sein wird“, gibt Weixler weiter zu bedenken. Vor allem Opioide werden dringend benötigt, aber auch der Mangel an Antibiotika und Medikamenten gegen Atemnot erschweren die Arbeit der Ärzt:innen. „In den vergangenen Wochen kam es zu deutlichen und prekären Engpässen bei Antibiotika, insbesondere in Saftform für Kinder“, konkretisiert Martina Kronberger-Vollnhofer, die sich im OPG-Vorstand mit der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen befasst.
Expert:innen der OPG sehen einen Grund für den Arzneimittel-Mangel in der „Niedrigpreispolitik für ältere, gut etablierte Arzneimittelspezialitäten, vor allem Analgetika, Opioide und Antibiotika“, wie Elisabeth Steiner, Vorsitzende der AG Palliativpharmazie der OPG erklärt. Dass es gleichzeitig eine „Welle an Neuzulassungen“ für Medikamente für seltene Erkrankungen gäbe, wo die Monatstherapiekosten „nicht selten im fünfstelligen Bereich liegen“, lässt Steiner befürchten, dass Patient:innen zwar bald „enorm teure Antitumortherapeutika“ erhalten, aber gleichzeitig an banalen Infekten sterben könnten, „weil Antibiotika nicht lieferbar sind“. Auch Präsident Weixler übt Kritik: „Schon jetzt sind aber die Preise für unsere gängigen Medikamente am Lebensende in Österreich beispiellos niedrig, eine Ampulle Morphium kostet etwa 95 Cent im Apothekeneinkaufspreis. Verständlicherweise schwindet damit das Interesse seitens der Produzenten, Arzneispezialitäten zu produzieren, die kaum mehr Gewinn abwerfen.“ Die Palliativgesellschaft wünscht sich deshalb „ein proaktives Vorgehen der Verantwortlichen von Gesundheitspolitik, dem Dachverband der Sozialversicherungsträger und den Standesvertretungen“.
Vollinhaltliche Unterstützung formuliert auch die Präsidentin der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) Waltraud Stromer (Landesklinikum Horn). „Wir sehen, dass die politisch Verantwortlichen in Österreich dank unserer Beharrlichkeit das Thema Schmerz ernst nehmen und die Kooperation mit der ÖSG und unseren Expert:innen suchen. Jetzt ist es daher wichtig, die Versorgungssicherheit bei Schmerzmedikamenten auch unmittelbar auf die politische Tagesordnung zu setzen“, stellt Stromer klar. Besonderes Augenmerk benötige die Arzneimittelversorgung in den Bereichen Akutschmerz und chronische Schmerzversorgung, ebenso die Versorgung geriatrischer Patient:innen. Um vom internationalen Markt unabhängig zu werden, sollte die Produktion in heimischen Firmen beziehungsweise Apotheken forciert werden. „Beim Einsatz von Opioiden und anderen zentralnervös wirkenden Analgetika vor allem bei multimorbiden Patient:innen ist Kontinuität besonders wichtig. Notwendige Umstellungen auf andere Präparate sind hier medizinisch nicht trivial und können auch gravierende Komplikationen auslösen“, betont Stromer. (kagr/rüm)