Die Bundeswettbewerbsbehörde fordert in einem neuen Bericht mehr ärztliche Hausapotheken. Der Apothekerverband reagiert fassungslos. Die Bundeswettbewerbsbehörde wolle Gesundheit dem Wettbewerb opfern, so die erste Reaktion.
Theordor Thanner, Chef der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), wird wohl kein Freund mehr der Apotheken. Schritt für Schritt arbeitet er sich seit einigen Monaten durch das Gesundheitswesen. Erster großer Bereich ist dabei der Pharmasektor und dort wiederum werden offenbar vor allem die Apotheken unter die Lupe genommen. Im Frühjahr 2018 gab es dazu den ersten Teilbericht. Die Liste von Dingen, die nach Ansicht der Kartellwächter den Wettbewerb im Apothekenmarkt behindern, war lang und einige davon möchten die Wettbewerbshüter aufgehoben wissen. Dazu gehören der Wegfall der Bedarfsprüfung, die Liberalisierung des Filialsystems, der Öffnungszeiten, der angebotenen Dienstleistungen des Online-Handels, der Zustelleinrichtungen und des OTC-Marktes. Das Ketten- und Fremdbesitzverbot soll hingegen bestehen bleiben.
Jetzt steht der zweite Teilbericht an und sorgt beim Österreichischen Apothekerverband für Fassungslosigkeit. Demnach fordert die BWB, dass die derzeit geltende Regelung, dass zwischen Haus- und öffentlicher Apotheke zwingend sechs Kilometer Abstand sein müssen, aufgehoben werden sollte: „Wir sehen, dass in kleinen Gemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnern Hausapotheken schließen, wenn öffentliche Apotheken eröffnen. Das ist für die ländliche Bevölkerung negativ. Denn man vergrault auf diese Weise die Landärzte“, sagt Thanner in einem Zeitungsinterview. Da es ohnehin einen großen Ärztemangel gebe, sollte man Medizinern die Entscheidung, aufs Land zu gehen, leichter machen, indem sie auch eine Hausapotheke haben dürfen, empfiehlt Thanner.
Damit setz die Bundeswettbewerbsbehörde die Gesundheit der Österreicher auf Spiel, zeigt sich Jürgen Rehak, Präsident des Österreichischen Apothekerverbands, erschüttert von den Aussagen Thanners. „Profitmaximierung im Gesundheitswesen führt vor allem zu einer Verschlechterung der Versorgung. Was die Wettbewerbsbehörde vorschlägt heißt: die Apotheken opfern, damit die Ärzte mehr verdienen.“ Thanner bringe die Schweiz als Beispiel, obwohl er wissen sollte, dass genau dort die Versorgung schlechter ist, bei gleichzeitig höheren Kosten, warnt Rehak vor den absehbaren Auswirkungen dieser Forderungen. „Wenn der Grund dafür ist, dass Ärzte nicht aufs Land wollen, weil sie dort zu wenig verdienen, muss sich die Krankenkasse darum kümmern. Das ist nicht die Aufgabe einer Wettbewerbsbehörde“, stellt Rehak klar. „Thanner setzt mit seinem Ansinnen eine seit 750 Jahren gültige Grundregel aufs Spiel: der, der verschreibt soll nicht an dieser Verschreibung verdienen.“ (rüm)