Rund 1,7 Milliarden Euro Verluste wird die Österreichische Gesundheitskasse bis 2024 anhäufen, so ihre eigene Prognose. Apothekerverbandspräsident Jürgen Rehak warnt im RELATUS-Interview vor den angekündigten Kürzungen bei Leistungsanbietern.
Die Ankündigung von ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer angesichts der erwarteten Milliarden-Defizite in der aus den GKK entstandenen ÖGK bei Leistungserbringern sparen zu wollen, sorgt bei diesen für Proteste. „Was man jetzt von der Österreichischen Gesundheitskasse hört sind echte Hiobsbotschaften. Die Arbeit hat noch gar nicht richtig begonnen und schon stellt sich heraus, dass angeblich hunderte Millionen Euro fehlen“, sagt Apothekerverbandspräsident Jürgen Rehak im RELATUS-Interview. „In den vergangenen Jahren war es nie anders. Im Februar oder März wurden von der Sozialversicherung Defizite prognostiziert und zum Schluss ist es sich immer in einem Überschuss ausgegangen. Wenn Herr Wurzer jetzt davon spricht, das fehlende Geld bei Leistungsanbietern einzutreiben zu wollen, dann bedeutet das de facto Leistungseinschränkungen. Und damit wird auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten gespart werden. Das lehne ich ab.“
Für die SPÖ und die Arbeitnehmervertreter in der Krankenkasse ist der Grund für die erwarteten enormen Verluste klar: die Reform mit der Zusammenlegung der Krankenkassen war unnötig und wird teuer. Die von ÖVP und FPÖ versprochenen Synergien werde es nicht geben, zeigten sich Gewerkschafter und SPÖ-Vertreter zum Ende der Woche überzeugt. Die ÖVP und Wirtschaftsvertreter wiederum geben vor allem der SPÖ und auch den Ärzten die Schuld. Man habe noch kurz vor Beginn der Reform in einigen Kassen die Ärztehonorare kräftig erhöht und auch die schon fixierte Harmonisierung der Leistungen würde viel Geld kosten und Teile der versprochenen „Patientenmilliarde“ vorweg nehmen, sagte Wurzer. Vor der Fusion sei von den Gebietskrankenkassen „sehr willkürlich ohne Rücksicht auf die Budgets Geld ausgegeben“ worden, kritisierte auch der ÖVP-nahe Vorsitzende im Dachverband der Sozialversicherungsträger, Peter Lehner. Als Beispiel nannte er den noch von der Wiener Gebietskrankenkasse abgeschlossenen Ärztevertrag, der wesentlich höher ausgefallen sei als in anderen Bundesländern. Das habe Druck für die anderen erzeugt, dem nachzuziehen.
Andreas Huss, Arbeitnehmerobmann der ÖGK, weist die Argumente als „Unsinn“ zurück. Die Gebietskrankenkassen hätten vielmehr mit erstem Jänner 2020 Rücklagen in der Höhe von 1,4 Milliarden Euro in die ÖGK eingebracht. „Der ÖVP ist es gelungen, diese in ein prognostiziertes Minus von 1,7 Milliarden Euro zu verwandeln. Die Wirtschaftsfraktion gibt mit beiden Händen das Geld der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für eine völlig sinnbefreite Zwangsfusion aus.“ Huss spielt den Ball zudem an die ÖVP zurück: „In den neun Gebietskrankenkassen hatte die Wirtschaftskammer mit acht zu zwei die Mehrheit in den Kontrollversammlungen, von denen alle Verträge zu beschließen waren. Die damalige Gesundheitsministerin Hartinger-Klein und Kanzler Kurz haben bereits mit im Juli 2018 die so genannte Ausgabenbremse erlassen. Diese legte fest, dass kein neuer Vertrag teurer sein darf als die Beitragseinnahmensteigerung des jeweiligen Jahres. Peinlichst genau haben die Aufsichtskommissäre der Ministerin auf die Einhaltung dieser Vorgabe gewacht.“ (rüm)