Im Fachjournal „The Lancet Planetary Health“ weisen Forschende auf die Gefahr der Klimakrise hin und plädieren für eine intensivere Erforschung der „Naturapotheke“.
Für Wissenschafter:innen des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt kann die medizinische Versorgung der Menschheit durch eine verstärkte Forschung im Bereich Phytotherapeutika gesichert werden. In den vergangenen vier Jahrzehnten basierte die Hälfte der zugelassenen Arzneimittel auf Inhaltsstoffen medizinischer Pflanzen oder sie seien zumindest nach deren Vorbild entwickelt worden sein. Berühmte Beispiele sind das Schmerzmittel Morphium, welches aus Schlafmohn gewonnen wird, oder Aspirin, dessen Bestandteil Salicylsäure ursprünglich aus Weidenrinde hergestellt wurde. Und auch neuere Medikamente enthalten Naturstoffe, so konnten zum Beispiel im Genom der Eibe jene Gene identifiziert werden, die für die Synthese des Stoffs Paclitaxel verantwortlich sind, einem wichtigen Krebsmedikament.
Der Stand der Forschung im Bereich „Naturapotheke“ lässt laut Wissenschafter:innen aber trotzdem zu wünschen übrig: Derzeit seien von ungefähr 374.000 bekannten Pflanzenarten nur 15 Prozent chemisch analysiert und gerade einmal sechs Prozent davon unter pharmakologischen Gesichtspunkten untersucht worden. „Heilpflanzen und ihre bioaktiven Stoffe bieten enorme Möglichkeiten für die zukünftige medizinische Versorgung der Menschheit – als eine naturbasierte, kostengünstige und effiziente Gesundheitsressource. Aber unser Wissen über sie ist immer noch ausschnitthaft“, kommentiert Spyros Theodoridis, Leiter der Forschungsgruppe, die Erkenntnisse.
Damit die Forschungen aber überhaupt möglich sind, müsse ein dringendes Problem gelöst werden: Die wertvollen Naturressourcen seien aktuell verstärkt durch die Klimakrise in Gefahr. Die Gruppe fordert deshalb eine Zusammenarbeit zwischen Klima- und Biodiversitätsforschung, um gemeinsam Schutzkonzepte zu entwickeln. Am Beispiel von Europa haben die Forschenden eine Reihe von Indikatoren entwickelt, um das Potenzial für Heilpflanzen sowie deren Gefährdung zu erfassen. Besonders stachen hier die Mittelmeerregion und polarnahe Gebiete hervor. „Unser Ziel ist es, Anstöße für die transdisziplinäre globale Erforschung von medizinischen Pflanzen zu geben. So können wir in der Zukunft nichts weniger als eine nachhaltige Transformation der weltweiten Gesundheitsversorgung erreichen und die ‚medizinische Biodiversität‘ für kommende Generationen sichern“, fasst Theodoridis zusammen. (kagr/APA)