Je länger die Corona-Maßnahmen dauern umso mehr zeigen sich Probleme in der Regierung. Auch die eingespielten Medienauftritte funktionieren nicht mehr reibungslos.
Die erste längere Ausfahrt von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) seit vielen Wochen hat für einiges Aufsehen gesorgt, allerdings nicht in der geplanten Art. Denn beim Besuch des ÖVP-Chefs, der eigentlich ein Signal für die anlaufende Grenzöffnung sein sollte, strömten einige Dutzend Kleinwalsertaler zusammen – und das großteils ohne Mund-Nasen-Schutz und entsprechenden Abstand. Auch vom Kanzler und dem Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner kursierten Bilder ohne Mund-Nasen-Schutz. Die Region ist nur von deutschem Staatsgebiet aus zu erreichen und war so von den Corona-Maßnahmen besonders betroffen. Die Opposition schäumt und drohte mit Anzeigen. Das Kanzleramt versuchte später den politischen Schaden zu minimieren, indem man in einer schriftlichen Stellungnahme für künftige Ereignisse dieser Art bat: „Egal ob man den Bundeskanzler oder Freunde auf der Straße trifft: Der Abstand ist einzuhalten.“
Parallel dazu wächst auch der Widersand, gegen die Regierungsmaßnahmen. Vor allem aus dem Kulturbereich kommt medienwirksame Kritik. Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) ist bereits mit Rücktrittsaufforderungen konfrontiert. Gesundheitsminister Rudolf Anschober gab seiner Parteikollegin am Donnerstag sogar Rückendeckung. „Nicht nur sie ist zuständig für den Bereich Kultur und dessen Öffnungsstrategie, sondern wir sind genauso zuständig, es ist auch unsere Verantwortung“, sagte er bei einer Pressekonferenz. Er betonte außerdem, dass an weiteren Schritten gemeinsam gearbeitet werde. Tatsächlich ist es allerdings schwer zu erklären, warum der Kanzler in Vorarlberg auftritt und bereits wieder volle Flugzeuge von Deutschland nach Österreich fliegen, während gleichzeitig über Milliardenbeihilfen für Lufthansa und AUA verhandelt wird und im Kulturbereich und der Gastronomie noch über Abstandregelungen von mehreren Metern diskutiert wird.
Bewegung kommt indes in einen anderen Bereich, der zuletzt unter heftiger Kritik stand. Der Fachbeirat des Gesundheitsministeriums will kommende Woche entscheiden, welche Schritte in Richtung Transparenz bezüglich der Besprechungsprotokolle gesetzt werden. Nächste Woche soll finalisiert werden, „wie wir mit Zusammenfassungen umgehen“, sagte Anschober. Er betonte, dass die 17 Mitglieder des Beraterstabs der Coronavirus-Taskforce alle ehrenamtlich tätig sind. Zur Veröffentlichung der Protokolle „wird es einen Vorschlag geben, ich kann und will das nicht drüberstülpen über die Teilnehmer“, bekräftigte Anschober, dass er zunächst Einvernehmen finden möchte.
In Tirol hat wiederum die Einsetzung der Untersuchungskommission zu den Coronafällen in Ischgl für eine regionale Politposse gesorgt. Die ÖVP drückte trotz Widerstand des grünen Koalitionspartners und der Opposition den ehemaligen Richter Josef Geisler als Vorsitzenden durch, obwohl dieser als ÖVP-nahe gilt. Kaum war Geisler im Landtag bestellt, trat er auch wieder von sich aus zurück. Deshalb soll nun Ronald Rohrer, Verfahrensrichter im Eurofighter-U-Ausschuss, den Vorsitz übernehmen. Er war bereits von der Opposition vorgeschlagen worden.
Bundeskanzler Kurz rechtfertigte am Donnerstagabend in einem ZIB-Interview die Situation im Kleinwalsertal mit „gewisse Dinge kann man nicht planen.“ Es kommt langsam Sand ins Getriebe der Regierungsshow. (rüm)