Jetzt geht es also los mit großflächigeren Impfungen. Bei aller Inszenierung der Politik wird von dieser übersehen, dass nicht sie, sondern die Wissenschaft die Basis für die Impfungen gelegt hat. Doch auf Wissenschafter wird jetzt immer weniger gehört und die Basis für die Forschung ist generell verbesserungswürdig.
Die Corona-Impfungen sind sicherlich ein Meilenstein im Kampf gegen die Pandemie. Sie sind aber vor allem ein Beweis dafür, wie schnell die Wissenschaft und Pharmaunternehmen arbeiten können. Kritiker sehen den Hauptgrund dafür in potenziellen Gewinnen für die Industrie, doch deren Aktionäre sind eher nicht in Jubelstimmung: das Risiko ist groß, die Preise niedrig, die Aktienentwicklungen deshalb eher flau. Politiker, die sich weltweit mit ersten Impfkandidaten fotografieren lassen, übersehen wiederum, dass nicht sie persönlich die Impfungen entwickelt haben. Und in Österreich sind die Rahmenbedingungen für Forschung auch nicht gerade rosig. Zugegeben: viele Staaten haben mit Vorbestellungen in frühen Phasen die Risiken für die Unternehmen gemildert und zum Teil auch Produktionsstätten vorfinanziert, hätte man aber mehr auf die Wissenschaft gehört, wäre man in der Bekämpfung der Pandemie schon viel weiter.
Ein Beispiel ist die aktuelle Impfstrategie, die vom nationalen Impfgremium entwickelt worden ist. Weil der Impfstoff erst Schritt für Schritt geliefert wird, sollen zuerst Menschen in Alten- und Pflegeheimen, dann alte Menschen zu Hause und Risikogruppen geimpft werden. Weil aber die Umsetzung bei den Bundesländern liegt, machen diese, was ihnen gerade gefällt. Sichtbar wurde das etwa als Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) vor Weihnachten erklärte, den Corona-Impfungen skeptisch gegenüber zu stehen. Die Zulassung durch die EU-Arzneimittelbehörde EMA war ihm zu wenig. „Welche Nebenwirkungen gibt es? Was bedeutet die Impfung für Allergiker? Ist die Impfung gentechnisch verändert oder nicht? Kann ein Geimpfter Überträger sein? Ist die Impfung nur so, dass der Verlauf gedämpft wird?“, fragte er. Die Antworten hätte er im Zulassungsantrag gefunden. Doskozil erklärte viel lieber „bei diesen Show-Impfungen“ zum Start nicht mitmachen zu wollen, begann dann aber doch am 27.12. Ganz anders Kärnten: Trotz bundesweit zweithöchsten Infektionszahlen, verkündete Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) erst am 5.1. mit den Impfungen beginnen zu wollen. Doskozil wiederum will mit Jahresbeginn eine eigene Aufklärungskampagne zu den Corona-Impfungen starten. Vorarlberg impft wiederum flächendeckend zuerst das Gesundheitspersonal – und damit auch jüngere, weniger gefährdete Personen – und erst dann in großem Stil in Pflegeheimen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wiederum erklärt, dass man überhaupt rasch in die Breite gehen will.
Welche Impfstrategie wissenschaftlich wirklich Sinn macht, ist der Politik egal. Jetzt, da es Impfungen gibt, will jeder der sein, der zuerst der Bevölkerung die freudige Nachricht und den Impfstoff überbringt. Und in der Bevölkerung will auch – fast – jeder der erste sein, der geimpft wird. Auf die Wissenschaft hört niemand mehr. Sie scheint ihre Schuldigkeit angesichts der gelieferten Impfstoffe bereits getan zu haben. (rüm)