Dr. Martin Sprenger, Leiter des Universitätslehrganges Public Health an der Meduni Graz und Allgemeinmediziner, verfolgt seit Beginn der Krise zusammen mit zahlreichen Experten die Entwicklungen. Im RELATUS-Kommentar gibt er sich zuversichtlich.
Wie alle am Dashboard des Gesundheitsministerium verfolgen können, verflacht der Anstieg der neu entdeckten mit SARS-CoV-2 infizierten Fälle. Die einschneidenden Maßnahmen in der Kalenderwoche 12 werden in den folgenden Wochen zu einer noch stärkeren Abflachung führen. Es wird regionale Unterschiede geben und ohne Risikostratifizierung wissen wir nicht ob sich die Anstiege in Niedrigrisikogruppen zu dem in Hochstrisikogruppen unterscheiden. Ein gefährlicher blinder Fleck!
Eine Überlastung der stationären Versorgung und der Intensivversorgung scheint vorerst abgewendet. Auch da gibt es regionale Unterschiede. Besonders für Tirol kann sich die Einschätzung ändern. Wie andere Versorgungsbereiche, wie Primärversorgung, Pflege, psychosoziale Versorgung, etc. mit der Belastung umgehen, ist in der aktuellen Debatte untergegangen. Zu sehr lag der Fokus auf den Intensivbetten.
Wohin geht die Reise? Es zeigt sich immer mehr, dass es Österreich gelingen wird diese epidemiologische „Freak Wave“ im Erkrankungs- und Sterbegeschehen, Dank der getroffenen Maßnahmen, von einer Monsterwelle in eine langgezogenen Welle zu verwandeln (Abflachung der Kurve). Zu lange darf diese Welle bzw. der daraus resultierende psychische, soziale und ökonomische Schaden aber auch nicht werden. Die entscheidende Frage lautet: Unter welchen Voraussetzungen kann Österreich welche der aktuellen Einschränkungen für welche Bevölkerungsgruppen ab wann aufheben?
Ein gutes Risikomanagement wird nach der Eindämmung immer vorrangiger. Auch wenn es dazu noch keine klaren Szenarien gibt, eines ist sicher: wir werden deutlich mehr Testkapazitäten und ein Überwachungs- bzw. Monitoringssystem brauchen. Nur auf Basis dieser Informationen können eine politische „Steuerung“ erfolgen und die schwerwiegenden Maßnahmen langsam und möglichst wissensbasiert zurückgenommen werden. Es wird ein Balanceakt zwischen einer „kontrollierten“ Eindämmung des Infektionsgeschehens und Hochfahren des sozialen Lebens.
Das kann und wird uns in Österreich gelingen! Es ist eine komplexe Aufgabe, die aber zu bewältigen ist. Neben den vielen Fragen in der Krankenversorgung, sind bald auch viele Fragen im Umgang mit immunen und gesundeten Personen zu beantworten. Neben Krankenversorgungskapazitäten brauchen wir dringend Versorgungsforschungskapazitäten! Was es auch braucht, ist ein wöchentlicher Policy Brief der in einfach verständlicher Sprache, auf Basis des bestverfügbaren Wissens, die Wiederbelebung unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens, des Arbeitslebens und aller anderen für die Bevölkerung wichtigen Aspekte skizziert.