Das Gesetz zum neuen Arzneimittel-Bewertungsboard ist beschlossene Sache und doch wird weiterhin Kritik daran laut. Expert:innen pochen auf eine Änderung des Gesetzes.
Unklar definierte Fristen und Vorgehensweise, hohe Kosten und keine verpflichtende Einbindung von Fachexpert:innen und Patient:innengruppen – das sind die Hauptkritikpunkte am beschlossenen Arzneimittel-Bewertungsboard, die Expert:innen im Rahmen eines Pressegesprächs der Pharma-Branchenvertretung Pharmig zum wiederholten Male äußerten. Die Grundidee des Boards, einen in Österreich einheitlichen Zugang zu hochspezialisierten und hochpreisigen Arzneimitteln über Empfehlungen zu erreichen, wurde dabei von allen begrüßt. Ob das Bewertungsboard das in der derzeit geplanten Form aber auch wirklich garantieren könne, daran zweifelten Expert:innen wie Sylvia Nanz, Medical Director bei Pfizer Corporation Austria und stellvertretende Vorsitzende des Pharmig Standing Committee Rare Diseases, und Reinhold Kerbl von der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde und Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH Hochsteiermark/Leoben. „Das Gesetz ist in manchen Kernbereichen sehr vage formuliert“, erklärte Nanz. Viele Dinge wären nicht ausreichend geklärt: Gelten die Empfehlungen des Boards nur für neue oder auch für bereits zugelassene Therapien? Wie werden „hochpreisig“ und „hochspezialisiert“ definiert? Was passiert, wenn das Board keine Empfehlung ausspricht? Ist der Zugang zu der Therapie dann zukünftig unmöglich?
„Unklarheiten im Gesetzestext sorgen für Ängste und Unsicherheiten unter allen Beteiligten. Wir befürchten, dass es zu Nachteilen für Betroffene kommen könnte“, meinte Nanz, die der Meinung ist, dass der Zugang zu Therapien für seltene Erkrankungen derzeit „relativ rasch“ gelingt. Sie befürchtet durch die Fristenregelung im neuen Gesetz Verzögerungen. „Die angegebenen Fristen könnten sich gegen die Patient:innen richten. Das Board hat fünf Monate Zeit, eine Empfehlung auszusprechen, dazu kommt allerdings noch eine Fristerstreckung, die nicht limitiert ist. Das bedeutet also, dass zu den fünf Monaten noch einmal mehrere Wochen, Monate oder sogar ein Jahr dazukommt. Bei teils chronischen fortschreitenden Krankheiten braucht es aber schnelle Entscheidungen“, mahnte Kerbl. Elisabeth Weigand, Geschäftsführerin von Pro Rare Austria, fand es darüber hinaus bedenklich, dass weder Fachexpert:innen noch Patient:innengruppen verpflichtend in den Entscheidungsprozess eingebunden sind, sondern nur in beratender Funktion – wenn überhaupt.
Scharfe Kritik kam auch von Gunda Gittler, Leiterin der Apotheke der Barmherzigen Brüder in Wien, die befürchtete, dass das Bewertungsboard aktuelle Probleme nicht lösen wird: „Eine der größten Schwierigkeiten ist derzeit der Übergang vom intramuralen in den extramuralen Bereich, vor allem wenn es um die Finanzierung geht. Patient:innen werden oft herumgeschoben, bekommen im Spital die Therapie, sollten dann aber in die Heimtherapie, nur dort ist die Finanzierung nicht geklärt, also kommen sie wieder zurück ins Spital. Und müssen dabei teilweise wegen unterschiedlicher Regelungen Bundesländergrenzen überqueren. Das Bewertungsboard wird das nicht lösen können“, meinte Gittler, die außerdem die jährlichen Verwaltungskosten des Boards von rund drei Millionen Euro als zu hoch kritisierte – „damit könnten wir als Krankenhausapotheker:innen sehr viele Präparate besorgen.“ Die Expert:innen fordern die Entscheidungsträger:innen dazu auf, Klarheit zu schaffen und im besten Fall, das Gesetz noch zu ändern. (kagr)