Die Wirtschaftskammer gibt Tipps, wie man schwerkranke Beschäftigte möglichst einfach kündigen kann. Nachdem sich die Krebshilfe empört zeigt, entschuldigt sich die WKO und löscht die Web-Tipps.
„Vorsicht! Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die eine Kündigung zur ‚Unzeit‘ verbieten. (…) Ist der Arbeitnehmer durch Krankheit ans Bett gebunden und verzögert sich dadurch der Erhalt der schriftlichen Kündigung, kann dies zu einem Aufschub von deren Wirkung führen. In möglichen Konfliktfällen ist daher eine Übermittlung des Kündigungsschreibens durch Boten oder dessen persönliche Übergabe dringend zu empfehlen! Befindet sich ein Arbeitnehmer im Krankenhaus, ist eine schriftliche Kündigung ins Krankenhaus zu übersenden. Eine durch die Post zugestellte Kündigung gilt dann als wirksam zugestellt, wenn der Kündigungsbrief auf dem Nachtkästchen deponiert bzw. in einem für die Patienten bestimmten Postfach abgegeben wird. Vorsicht! Auch in diesem Fall ist eine Übermittlung des Kündigungsschreibens durch Boten oder dessen persönliche Übergabe dringend zu empfehlen!“
Diese „Anleitung“ zur Kündigung fand sich bis Samstagabend auf der Website der Österreichischen Wirtschaftskammer und sorgte unter Krebspatient:innen, An- und Zugehörigen und der Österreichischen Krebshilfe für Entrüstung. „Wenn die WKO bei ihren Mitgliedern offen dafür ‚wirbt‘, wie Arbeitgeber:innen ihre Arbeitnehmer:innen im Krankenstand möglichst einfach und ohne persönliche Berührungspunkte im Spital kündigen können, empfinden wir das, gelinde gesagt, als äußerst verstörend und grenzwertig,“ sagte Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda. Reaktion der Wirtschaftskammer: sie empfehle keineswegs die Kündigung von Kranken, hieß es gegenüber dem ORF, später gab es eine Entschuldigung. Die entsprechende Website war am Sonntag nicht mehr aufrufbar.
Die Österreichische Krebshilfe bedankt sich indes ausdrücklich bei den vielen Arbeitgeber:innen, die an Krebs erkrankte Mitarbeiter:innen nicht fallen lassen und sie im Krankenstand nicht kündigen – obwohl es gerade in den mehrheitlich kleinen Unternehmen mit wenigen Mitarbeiter:innen oft schwer sei, diese Zeit arbeitstechnisch „durchzustehen“. Krebspatient:innen dürften jedoch nicht von der sozialen Verantwortung von Arbeitgeber:innen abhängig sein. Die Krebshilfe fordern, dass ihnen nicht inmitten ihrer kräfteraubenden Therapien und psychischen Hochschaubahnen auch noch der Arbeitsplatz entzogen wird.
Ein genereller Kündigungsschutz im Krankenstand besteht in Österreich derzeit nicht. Krebspatient:innen haben zwar das Recht, einen Antrag auf einen „begünstigten Behindertenstatus“ zu stellen. Dieser schützt jedoch nur „bedingt“ vor einer Kündigung. Sollte eine Kündigung erfolgen, muss diese zwar vor ein Schiedsgericht beim Sozialministerium und mit dem Arbeitgeber verhandelt werden – die Krebshilfe ortet aber eine Reihe von Problemen. „Erstens ist es kaum bekannt, dass es die Möglichkeit des Antrages auf einen ‚begünstigten Behindertenstatus‘ gibt,“ erklärt Krebshilfe-Geschäftsführerin Doris Kiefhaber. „Zweitens ist es für viele Patient:innen eine verständliche emotionale Hürde, einen Antrag auf ‚Behinderung‘ zu stellen. Und drittens zeigt unsere Erfahrung, dass es bei Verhandlungen vor dem Schiedsgericht sehr oft nicht zu einer Wiedereinstellung kommt, sondern zu Abschlagszahlungen. Das bedeutet, dass der Patient/die Patientin nach Ende der kräfteraubenden Therapie keinen Arbeitsplatz mehr hat,“ sagt Kiefhaber.
Laut Krebshilfe geht es nicht „nur“ um effektiv ausgesprochene Kündigungen im Krankenstand sondern vor allem auch um die Angst von Krebspatient:innen VOR einer Kündigung. „Wir erkennen voll Sorge, dass immer mehr Patient:innen aus Angst vor Kündigungen trotz kräfteraubender Krebstherapien weiter arbeiten gehen“, sagt Kiefhaber. „Das führt aber unweigerlich dazu, dass sie sich psychisch und physisch völlig überfordern“. Die Österreichische Krebshilfe sieht mehrere Möglichkeiten, Krebspatient:innen vor einer Kündigung im Krankenstand zu schützen – etwa durch eine Angleichung an den Schutz vor Kündigung von Schwangeren oder durch Sperrfristen für Kündigungen für die Dauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (Schweizer Modell). „Aus unserer Sicht wäre es bei entsprechendem politischen Willen einfach, den dringend notwendigen Schutz vor Kündigung für Krebspatient:innen auch in Österreich zu gewährleisten,“ betont Sevelda. „Es ist ein Gebot der Stunde, dass dieser Schutz gesetzlich verankert wird.“ (rüm)