Der deutsche Gesundheitsminister zieht eine positive Corona-Bilanz: Er räumt ein: Manche Maßnahmen waren „Schwachsinn“, warnt aber auch vor nachträglichen Umdeutungen.
Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) – seit Dezember 2021 im Amt – hat erneut Fehler bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie kritisiert. „Was Schwachsinn gewesen ist, wenn ich so frei sprechen darf, sind diese Regeln draußen“, sagte Lauterbach in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ am Donnerstagabend. Er bezog sich etwa auf das zeitweise ausgesprochene Verbot, ohne Maske joggen zu gehen. „Das ist natürlich klar, das sind Exzesse gewesen“, sagte der Mediziner, der den CDU-Politiker Spahn Ende 2021 als zuständigen Minister abgelöst hat.
Die Bundesländer hätten massiv überreizt, insbesondere Bayern, kritisierte Lauterbach. Auch die langen Kindertagesstätten- und Schulschließungen seien ein Fehler gewesen, wiederholte Lauterbach seine bereits Ende Jänner getätigte Aussage. Trotzdem fiel Lauterbachs Bilanz drei Jahre nach Beginn der Pandemie insgesamt positiv aus. „Wir sind gut durchgekommen.“
Dank des vorsichtigen Vorgehens sei die Sterblichkeit in Deutschland trotz der alten Bevölkerung niedriger gewesen als in anderen Ländern. Bisher sind rund 170.000 Menschen in Deutschland an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben. Das sind rund 200 pro 100.000 Einwohner. „Das ist keine schlechte Zahl, aber wir wären noch besser gewesen, wenn es nicht diese ständige Politisierung der Maßnahmen gegeben hätte“, sagte er. Zum Vergleich: In Österreich gab es bisher 21.770 Todesfälle, das sind 241,2 pro 100.000 Einwohner. Die meisten Fälle gab es mit 303,8 pro 100.000 Einwohner in Kärnten, die wenigsten mit 168,9 in Vorarlberg.
Lauterbach warnt aber vor „Umdeutungen“ bei der Bewertung von Corona-Schutzmaßnahmen. Deutschland sei jetzt technisch viel besser für mögliche nächste Pandemien gerüstet, sagte er im Nachrichtenmagazin „Spiegel“. „Aber kommunikativ und politisch sind wir wegen all der Verharmloser und Querdenker schlechter vorbereitet, als wir es vor Corona waren.“ Deshalb sei es umso wichtiger, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht nachträglich umgedeutet würden. Ein „Verdrehen von Tatsachen“ habe in der Pandemie erheblichen Schaden ausgelöst. „Ohne Desinformationskampagne einiger Medien, Parteien, Querdenker und Wissenschafter hätten wir eine deutlich höhere Impfquote bei den Älteren gehabt. Weniger Tote waren möglich.“ Der Berliner Virologe Christian Drosten sagte im Doppelinterview mit Lauterbach, es gehe inzwischen um „eine handfeste Umdeutung“. „Ich denke mir immer: Wie abwertend ist das den vielen Leuten gegenüber, die von Anfang an versucht haben, sich zu informieren und verantwortlich zu handeln? Die gesagt haben: Ich bleibe mit meinem Kind zu Hause, ich mache meine Kneipe zu?“ (red/APA)