Fritz Gamerith ist Vorstandsmitglied im Self Care-Verband IGEPHA, in der Österreichischen Gesellschaft für Phytotherapie und Geschäftsführer von Schwabe Österreich. Im Sommergespräch redet er über den Markt, Versandhandel und Apotheken.
Wie sehen Sie die Entwicklungen im OTC-Markt in Österreich? Rezeptfreie Arzneimittel sind die zweite tragende Säule der Arzneimittelversorgung und fester Bestandteil der österreichischen Gesundheitsversorgung. Es sieht so aus, als würden sich die Turbulenzen im Markt, die Corona und der Krieg in der Ukraine ausgelöst haben, wieder normalisieren. Auch die Vorbestellungen für den Herbst, vor allem bei Erkältungs- und Beruhigungsprodukten, nähern sich dem Niveau vor der Pandemie.
Und darüberhinausgehend? Was uns Sorgen bereitet, ist die Kaufkraftentwicklung. Es beginnen Regionen in Österreich schwächer zu werden, z.B. Wiener Flächenbezirke wie Simmering oder auch die Obersteiermark. Billigere OTC-Produkte gehen noch ganz gut, aber teurere brechen zunehmend weg, hört man aus der Branche.
Die Vergangenheit hat einige Zusammenschlüsse oder Abspaltungen im internationalen OTC-Markt gebracht. In Österreich gibt es umgekehrt viele, starke lokale Unternehmen. Welche Folgen hat diese Konzentration im Pharmamarkt für Österreich? Generell zeigt sich, dass im OTC-Markt lokale Firmen stärker sind als im rezeptpflichtigen Bereich. Die großen Konzerne schwächeln hier eher. Sie erreichen zwar betriebswirtschaftlich durch Fusionen Einsparungseffekte und können über große Finanzmittel einiges am Markt bewirken, aber kleine, regionale Unternehmen sind flexibler und können schneller auf Marktänderungen reagieren.
Ein anderes Thema ist der Switch von rezeptpflichtigen Produkten in den OTC-Bereich. In Deutschland wurde gerade der Versuch, Viagra rezeptfrei zu machen, abgelehnt. Das Thema wird seit Jahren diskutiert. Ich denke aber, dass es in Mitteleuropa generell nicht wirklich durchzubringen ist. Wir haben hier eine Tradition, wo man behördenseitig vorsichtig ist. Die Behörden schätzen die Gefahren größer ein als die Chancen und agieren deshalb auch zurückhaltend.
Wie entwickeln sich die Bereiche, in denen Schwabe aktiv ist – Phytotherapie und Homöopatika? Klassische Homöopathie macht nur noch einen kleinen einstelligen Prozentsatz unseres Umsatzes aus. Das Image ist teilweise angegriffen – allerdings gibt es große Unterschiede zwischen veröffentlichter Meinung und öffentlicher Meinung. Sehr viele Patient:innen möchten weiterhin die Homöopathie nicht missen. Der Bereich der Phytopharmaka expandiert hingegen stark. Auch die postgradualen Ausbildungen sind von Ärzt:innen und Apotheker:innen stark nachgefragt. Wünschenswert wäre, das Themenfeld stärker ins Medizinstudium zu bringen. Die Ausbildung wird derzeit stark von Synthetika dominiert. Das ist sehr schade, wird sich aber wohl nicht so schnell ändern lassen.
Ein anderes Thema ist der Versandhandel. Wie sehen Sie hier die Entwicklungen? Das Pandemiegeschehen hat das Einkaufsverhalten der Kund:innen nachhaltig geprägt und den Online-Versandhandel belebt. Es gab einen starken Anstieg in der Coronazeit, dann ist der Aufwärtstrend wieder abgeflacht. Ich erwarte für den Versandhandel aber langfristig einen Marktanteil von bis zu 40 Prozent. Es wächst gesellschaftlich eine Generation nach, die mit dem Versandhandel aufgewachsen ist.
Der Versandhandel muss aber beliefert werden: Offiziell hört man, dass es niemand tut. Woher kommen also die Produkte? Aus allen drei Quellen: Hersteller, Großhandel und von Apotheken selbst.
Heißt das, offiziell will es keiner gewesen sein, inoffiziell tun es alle? Alle will ich nicht sagen, aber doch einige.
Welche Chancen haben die Apotheken dann im Wettbewerb mit dem Versandhandel? Als stationäre Apotheke kann man nicht direkt mit dem Versandhandel konkurrieren, ich sehe die Kompetenz der Apotheken aber auch woanders. Sie liegt in der Beratung und auch in der Kooperation mit anderen Gesundheitsberufen. Man könnte ja etwa Kooperationen mit Primärversorgungseinheiten andenken und Gesundheitscluster bilden. Auch das Impfen in Apotheken würde in jedem Fall Sinn machen. (Das Interview führt Martin Rümmele)