Die neu aufgeflammte Diskussion um Lieferschwierigkeiten und Engpässe bei Arzneimitteln führt zu – je nach Sichtweise – unterschiedlichen Reaktionen. Die Apothekerkammer sieht die Politik gefordert. Globale Liberalisierung und Kostendruck seien schuld an der Entwicklung, hieß es in einer Stellungnahme. Die Industrie hatte bereits zuvor auf 99-prozentige Lieferfähigkeit hingewiesen.
“Engpässe bei der Versorgung mit Arzneimitteln sind nicht akzeptabel”, sagt die Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, Ulrike Mursch-Edlmayr. Arzneimittelengpässe seien eine fatale Folge der scheinbar grenzenlosen globalen Liberalisierung. “Die Politik muss der ungeregelten Marktliberalisierung im Gesundheitsbereich aktiv entgegentreten, auf nationaler Ebene ebenso wie EU-weit.” Es gebe weltweit immer mehr Firmenfusionen von Arzneimittelherstellern, diese führten zu Monopolen, die den Rohstoff- und Arzneimittelmarkt zunehmend beherrschten. Eine Marktliberalisierung wie bei Konsumgütern könne bei potenziell lebenswichtigen Produkten wie Medikamenten ein hohes Risiko darstellen, meint man bei der Apothekerkammer. Hier sei eine klare Trennlinie zu ziehen.
Bereits am Dienstag hatte der Verband der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) Stellung bezogen. Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog betonte in einer Aussendung: “Die pharmazeutische Industrie hat ganz klar ein ursächliches Interesse daran, dass ihre Produkte auch am Markt verfügbar sind. Wir haben in Österreich einen Arzneimittelschatz von über 13.000 Produkten, von denen über 99 Prozent lieferbar sind. Freilich wollen wir eine vollständige Lieferfähigkeit. Wir haben hier aber kein Österreich-spezifisches Problem, sondern ein weltweites, das noch dazu viele Ursachen hat.” RELATUS hatte bereits inder vergangenen Woche über die jüngsten Probleme berichtet.
Die Angelegenheit ist komplex. Einerseits versucht die Pharmaindustrie bei hochpreisigen Arzneimitteln, die Parallelimportproblematik, bei welcher Händler die Preisunterschiede zwischen Österreich und anderen Ländern – Österreich ist laut Industrie eher ein Billigpreisland – ausnutzen und die Medikamente weiterverkaufen, durch Kontingentierung zu unterbinden. Hinzu kommen potenziell Lieferschwierigkeiten, wenn Produktionen aus technischen oder anderen Gründen ausfallen. Bei der Konzentration der Produktion vieler Wirkstoffe bei wenigen Herstellern kann das schnell zu Schwierigkeiten führen.
“Viele Mengenarzneimittel kosten heute weniger als eine Packung Kaugummi an der Tankstelle. Die berechtigte Forderung nach höchster Qualität, umgehender Verfügbarkeit und bester Beratung bei gleichzeitigem maximalen Kostendruck durch die Sozialversicherung bringen die Hersteller, den pharmazeutischen Großhandel und die Apotheken an die Grenzen des Machbaren. Wohin das führt, erleben wir im Moment. Die qualitativ hochwertigen Leistungen der Arzneimittelvertriebskette müssen fair honoriert werden. Billigstpreis-Politik und Liberalisierung um jeden Preis wirken destabilisierend auf unser System”, sagte der Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer, Christian Wurstbauer.
Das Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI) zeigte sich über Aussagen der Apothekerkammer teilweise überrascht. Das FOPI fordert alle Stakeholder zur Fortsetzung der bisherigen Zusammenarbeit auf, die etwa in der gemeinsamen Taskforce unter Ägide des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen eingerichtet wurde. Denn um für die heimischen Patienten die bestmögliche Versorgung sicherzustellen, sind alle Beteiligten gefordert, ist das FOPI überzeugt. Die Entscheidung für die angemessene Therapie treffen der Arzt oder die Ärztin mit dem Patienten. Die Pharmaindustrie, der Pharmagroßhandel und die Apotheker seien dann in ihrem Bereich gleichermaßen verantwortlich, die entsprechenden verordneten Arzneimittel rasch und zuverlässig den Patienten in Österreich zur Verfügung zu stellen. (APA/rüm)