Das Gesundheitsministerium rechnet mit Antibiotikalieferungen noch im März. Indes gibt es gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Industrie und Politik.
Katharina Reich, Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, hat Donnerstagnacht in der „Zeit im Bild 3“ leichte Entwarnungen bei Medikamentenengpässen gegeben. Noch in diesem Monat soll es weitere Lieferungen von Antibiotikasäften für Kinder geben. „Wir hatten einen unserer regelmäßigen Austausche mit dem Pharmagroßhandel. Es ist nicht viel, aber es ist immer wieder etwas“, sagte die Spitzenbeamtin.
Die Verantwortung für die aktuelle Situation sah sie bei der Pharmaindustrie. „Wie für die jeweilige Wintersaison vorgesorgt wird, ist definitiv Aufgabe der Pharmaindustrie und die hat sich leider für diesen Winter ein bisschen verkalkuliert und das ist nun mal ein Thema vor dem wir jetzt stehen“, sagte Reich. Aktuell gebe es in ganz Europa Engpässe bei Medikamentenlieferungen.
„Seit einiger Zeit herrscht ein sehr dynamisches Infektionsgeschehen, das zu einer enormen Nachfrage vor allem bei Antibiotika geführt hat. Die produzierenden pharmazeutischen Unternehmen können die rasant gestiegene Nachfrage nicht so kurzfristig decken“, argumentierte der Branchenverband Pharmig am Wochenende „Ein solcher Anstieg an Erkrankungen, wie wir ihn jetzt erleben, war in seiner Dynamik und in diesem Ausmaß aber nicht vorherzusehen. Das sind Umstände, die sich auf die Pandemie und die daraus resultierenden Verwerfungen zurückführen lassen, die wir die vergangenen drei Jahre in sämtlichen Bereichen beobachten konnten“, verteidigt Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog die Branche. Derzeit würden auch die Arzneimittelhersteller, wie viele andere Branchen, mit fehlendem Personal kämpfen. Ebenso hätten sich die Fristen für die Zulieferung von Zusatzprodukten verlängert. „Wenn die Unternehmen das Fachpersonal nicht finden, das sie für die Produktionslinien brauchen, können sie weder die Kapazitäten erhöhen noch neue Produktionslinien starten. Fehlen ihnen die Glasfläschchen zum Abfüllen oder das Papier zum Verpacken, können sie ihre Produkte nicht ausliefern. All das wirkt sich belastend auf die Medikamentenversorgung aus“, erläutert Herzog. Eine Entspannung der derzeitigen Situation sei jedenfalls mit dem Abflachen der Infektionswelle zu erwarten.
Abgesehen von diesen Herausforderungen sieht Herzog hinsichtlich der Preis- und Erstattungspolitik eine Baustelle. Denn beim Großteil der Medikamente, die derzeit nicht oder nur verzögert lieferbar sind, handelt es sich um niedrigpreisige Arzneimittel, deren Patentschutz abgelaufen ist. Ähnlich argumentiert der heimische Generikaverband. Alle Antibiotika-Kindersäfte sind patentfrei, dementsprechend hoch sei der Generikaanteil, der bei ca. 57 Prozent liegt. Laut IQVIA wurden 2022 um 93,4 Prozent mehr Antibiotikasäfte abgegeben als 2021 und um 11,4 Prozent mehr im Vergleich zu 2019, also vor der Pandemie. „Gleichzeitig sinken die Preise für solche Medikamente stetig: der Durchschnittspreis einer Packung beträgt 5,25 Euro und ist damit seit 2019 um knapp 5 Prozent gefallen.“ Weltweit gebe es für Penicillin-Wirkstoffe nur noch fünf Hersteller. Der größte ist in China, der zweitgrößte Hersteller in Tirol, Österreich. Das Problem solcher Engpässe sei „hausgemacht“: „Sowohl der Preisdruck als auch die Anforderungen für Hersteller steigen stetig. Die Hersteller müssen daher unter maximaler Auslastung ihrer Kapazitäten produzieren, um kostenseitig rentabel zu bleiben und auch die kontinuierlichen Investitionen in die notwendige Modernisierung von Produktionsanlagen zu finanzieren“, sagt Wolfgang Andiel, Präsident des Österreichischen Generikaverbandes. Er fordert die Möglichkeit, Arzneimittelpreise zumindest an den Verbraucherpreis-Index anzupassen. (red)