Lieferengpässe: Start für neue Bevorratungsverordnung

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Kommende Woche tritt nach einer Übergangsfrist von zehn Monaten die neue Verordnung zur Arzneimittelbevorratung in Kraft. Arzneimittelhersteller sind skeptisch.  

Mit der neuen, langen diskutierten Verordnung zur Arzneimittelbevorratung sollen nationale Lagerbestände kritischer Medikamente erhöht werden, um besser auf Engpässe und Notfälle reagieren zu können. Die pharmazeutische Industrie ist damit verpflichtet, bestimmte Arzneimittel in ausreichender Menge für den österreichischen Bedarf einzulagern. Von ursprünglich 721 gelisteten Präparaten wurden seit der Erstveröffentlichung im Juni 2024 insgesamt 36 wieder entfernt, da sie inzwischen nicht mehr im Handel sind. Weitere Arzneimittel, die Paracetamol- oder Ibuprofen enthalten, wurden ebenfalls von der Liste gestrichen, weil zuletzt keine Versorgungseinschränkungen aufgetreten sind. Damit verbleiben rund 600 Medikamente, die künftig unter die Lagerpflicht fallen. 

Der Österreichische Generikaverband sieht diese Maßnahme weiterhin kritisch: „Solche mitgliedsstaatlichen Alleingänge können Engpässe nicht lösen, sie erhöhen aber das Risiko, sie noch zu verschlimmern“, warnt Wolfgang Andiel, Präsident des Österreichischen Generikaverbandes. Das Problem: Generikahersteller produzieren heute bereits mit 80 bis 100 Prozent Auslastung. Trotzdem sei die Industrie jetzt verpflichtet noch größere Mengen an kritischen Arzneimitteln einzulagern. Wie das Produktionsvolumen trotz Vollauslastung in der Praxis erhöht werden soll, bleibe offen, kritisiert Andiel. Besonders problematisch: Wenn Unternehmen trotz geringer Lagerbestände Patient:innen weiterhin mit Medikamenten versorgen, drohen ihnen sogar Strafzahlungen, weil sie die Lagerverpflichtungen unterschreiten. „Das widerspricht dem Versorgungsauftrag und führt zu der absurden Situation, dass Arzneimittel zwar im Lager liegen, im Akutfall den Menschen aber nicht zur Verfügung stehen“, betont Andiel. 

Um solchen Strafzahlungen zu entgehen, müssen Länder mit strengeren Verpflichtungen bevorzugt beliefert werden – andere gehen dabei leer aus oder müssen selbst Sanktionen einführen. Ein Blick nach Frankreich zeigte, wohin das führen kann: Im September 2024 wurden Strafen in Höhe von 8 Millionen Euro verhängt, weil 30 von 5.000 gelisteten Medikamenten nicht vorrätig waren. Die Folge: Medikamente würden aus der Versorgung verschwinden. Auch auf EU-Ebene würden Pflichtlager kritisch gesehen. Der Entwurf des „Critical Medicines Act“ warne ausdrücklich vor nationalen Alleingängen, die den Binnenmarkt belasten. Stattdessen werden Verhältnismäßigkeit, Transparenz und Solidarität bei der Gestaltung solcher Lagerpflichten eingefordert. „In 13 EU-Staaten gibt es bereits ähnliche Regelungen, zwei weitere diskutieren sie. Der Wettbewerb um Medikamente wird sich weiter verschärfen, die Versorgungslage damit noch instabiler“, so Andiel.  

Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG, warnt ebenso vor den Folgen der neuen Verordnung: „Nationale Vorratslager gehen in einem gemeinschaftlichen Europa am Ziel vorbei, die Arzneimittelversorgung zu stärken. Sie sind extrem kostenintensiv, aufwendig in der Verwaltung und können die Herausforderungen in der Medikamentenversorgung erst recht verschärfen. Der einzig sinnvolle Weg ist eine europäische, ganzheitliche Strategie.“ Im Kampf gegen Engpässe müsse der Blick auf die hiesige Preissituation, den Produktionsstandort Österreich und in weiterer Folge auf ganz Europa gerichtet werden. Im Wettbewerb mit anderen starken Regionen wie den USA und China gerate Europa als Wirtschaftsregion immer weiter ins Hintertreffen. (rüm)