(c) Phago
Die Generalsekretärin des Pharmagroßhandelsverbandes PHAGO, Monika Vögele, erklärt im RELATUS-Sommergespräch, wo es Engpässe bei Medikamenten gibt.
Arzneimittel-Lieferengpässe häufen sich seit Jahren. Durch die globalen Krisen stocken nahezu alle Lieferketten. Wie ist die derzeitige Lage bei Arzneimitteln in Österreich? Laut Vertriebseinschränkungsregister sind aktuell 398 Arzneimittel nicht oder eingeschränkt verfügbar. Als Arzneimittel-Vollgroßhändler beobachten wir schon seit Beginn der Pandemie, dass die Nachfrage bei den verordnungsstärksten Medikamenten sehr volatil geworden ist. Das bedeutet, dass wir jene 40.000 Artikel, die wir an unseren 23 Standorten lagern, sehr flexibel und umsichtig managen müssen, um die Arzneimittelversorgung abzusichern.
Laut Apothekern in Österreich und Deutschland sind Arzneimittel für Kinder mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen aktuell Mangelware. Können Sie das bestätigen und wie wird sich die Situation entwickeln? Es ist diesen Sommer eine starke Nachfrage nach Erkältungsprodukten zu verzeichnen. Es sind aktuell tatsächlich einzelne Produkte von Herstellern nicht lieferbar, aber die Vollgroßhändler haben sich gut bevorratet, sodass aus den Lieferengpässen keine Versorgungsengpässe werden. Eine Langzeitprognose ist aufgrund der vielen Unsicherheitsfaktoren nicht möglich.
Was kann von der Politik getan werden, um Lieferengpässen entgegenzuwirken? Nur was in Österreich physisch an Medikamenten liegt, steht den Patienten:innen auch zur Verfügung. Das Wichtigste ist, dass wir auch bei Störungen in der Lieferkette genügend kritische Arzneimittel im Land haben, um die Regelversorgung aufrecht halten zu können. Die Ausfallssicherheit bei Medikamenten wird künftig der entscheidende Faktor sein.
Vor welchen anderen Herausforderungen steht das österreichische Gesundheitssystem in Bezug auf Arzneimittel derzeit? Die Energiekrise und hohen Treibstoffpreise werden auch massive Auswirkungen auf den Arzneimittelbereich haben. Die PHAGO-Großhändler spüren bereits jetzt den gestiegenen Kostendruck. Die Sicherstellung der bedarfsgerechten Auslieferung von Arzneimitteln wird ohne Anpassung der Rahmenbedingungen zunehmend zu einer Herausforderung.
Wie hat sich der Arzneimittelverbrauch hierzulande durch die Pandemie verändert? PHAGO hat in den vergangenen drei Jahren einen teils sehr wechselhaften Medikamenten-Bedarf festgestellt. Die Nachfrage nach Schmerzmedikamenten ist am stärksten gestiegen. Während der Bedarf an Antibiotika zu Pandemie-Beginn massiv gesunken ist, werden seit heuer wieder mehr Antibiotika verordnet. Und bei stimmungsaufhellenden Substanzen, so genannte Psychoanaleptika oder Antidepressiva, ist insgesamt eine Zunahme von fünf Prozent im Vergleich zu vor Krisen-Zeiten zu sehen.
Wie wird der Herbst werden? Wann werden angepasste Corona-Impfstoffe verfügbar sein und wird es genug davon geben? Die Zulassungsverfahren für angepasste Impfstoffe laufen. Wann immer die neuen Vakzine dann nach Österreich kommen: Der Arzneimittel-Vollgroßhandel ist gerüstet, diese rasch in den Bundesländern zu verteilen. (Das Interview führte Katrin Grabner)