Mariendistel ist die Arzneipflanze 2021 in Österreich

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Die Herbal Medicinal Products Platform Austria (HMPPA) – bestehend aus Experten der pharmazeutischen Institute der Universitäten Graz, Innsbruck und Wien – kürt jährlich die Arzneipflanze des Jahres in Österreich. Für 2021 fiel die Wahl auf die Mariendistel. Wissenschaftliche Studien belegen u.a. leberschützende Effekte des Wirkstoffkomplexes Silymarin.

Die HMPPA ist ein Netzwerk, das seit seiner Gründung Ende 2006 wissenschaftlich daran arbeitet, Naturstoffe und pflanzliche Arzneistoffe zu entwickeln. „Diese Erkenntnisse sollen gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft zum Wohle der Patienten nach modernsten wissenschaftlichen Standards umgesetzt werden“, betont Univ.-Prof. Dr. Hermann Stuppner, Präsident der HMPPA, Institut für Pharmazie/Pharmakognosie, Universität Innsbruck. Die Tätigkeitsfelder der HMPPA sind die Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung sowie deren Umsetzung in der pharmazeutischen Industrie sowie die Aus- und Weiterbildung im Bereich pflanzlicher Arzneimittel. Die HMPPA kürt auch jährlich die Arzneipflanze des Jahres – heuer die Mariendistel.

„Die im mediterranen Raum und Vorderen Orient beheimatete Mariendistel ist ein krautiger, bis über zwei Meter hoher, in Mitteleuropa meist nicht winterharter Vertreter der Korbblütler“, erläutert em. o. Univ.-Prof. Dr. Chlodwig Franz, Vizepräsident der HMPPA, Abt. Funktionelle Pflanzenstoffe, Vetmeduni Wien. Die braunen Früchte enthalten in ihrer Schale den als „Lebermittel“ bekannten Wirkstoffkomplex Silymarin. Als Arzneipflanze ist die Mariendistel schon seit dem Altertum bekannt. Seit dem 19. Jahrhundert konzentriert sich die medizinische Verwendung auf Zubereitungen der „Samen“ (Früchte) bei Leber- und Galleleiden. „In Österreich stellt Mariendistel eine der drei wichtigsten großflächig kultivierten Arzneipflanzen dar, die Anbaugebiete liegen in Niederösterreich – vor allem im Waldviertel, teilweise im Weinviertel“, erklärt DI Rudolf Marchart vom Österreichischer Verband für Arznei- und Gewürzpflanzenbau. Hier befindet sich auch ein international viel beachtetes Kompetenzzentrum zur Mariendistelverarbeitung für die nachfolgende Silymaringewinnung im Umfang von 3.500 bis 4.000 Tonnen Körnerdroge pro Jahr.

„Die Inhaltsstoffe der Früchte der Mariendistel sind schon sehr gut untersucht“, erläuterte Univ.-Prof. Dr.Dr.h.c. Rudolf Bauer, Vizepräsident der HMPPA, Institut für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Graz. „Für die Wirksamkeit ist das in der Fruchtwand lokalisierte Gemisch an Flavonolignanen, welches als ‚Silymarin‘ bezeichnet wird, von besonderer Bedeutung.“ Das Europäische Arzneibuch fordert für Mariendistelfrüchte einen Gehalt von mindestens 1,5 % Silymarin. Der Wirkstoff besitze eine leberschützende Wirkung. Silibinin interagiert mit spezifischen Leber-Transportproteinen, wodurch Giftstoffe wie a-Amanitin und Phallaoidin nicht mehr in die Zelle eindringen können. Es konnten auch antioxidative und antiinflammatorische Effekte nachgewiesen werden. Silymarin kann sowohl die DNA als auch die Lipid- und Proteinoxidation unterbinden und damit Zellschäden verhindern. Außerdem fördert Silymarin über eine Stimulierung der Polymerase I die Zellregeneration, wodurch sich die geschädigte Leber schneller erholen kann. Über eine Hemmung der RNA Polymerase verhindert Silibinin laut in vitro Daten auch die Replikation des Hepatitis-C-Virus. Tierversuche zeigten, dass Silymarin auch den Zuckerstoffwechsel positiv beeinflusst und cholesterinsenkend wirkt. Somit könnte es auch für die Behandlung des metabolischen Syndroms Bedeutung haben. Neueste Untersuchungen ergaben, dass Silibinin den programmierten Zelltod (Apoptose) von Krebszellen induziert, wodurch sich in der Zukunft auch neue Anwendungen in diesem Bereich ergeben könnten.

In der täglichen naturheilkundlichen Praxis findet die Mariendistel bei Leberkrankungen, insbesondere bei den Lebensstil-bedingten Fettlebererkrankungen (NAFLD) Anwendung. Die Prävalenz der NAFLD liegt in der Normalbevölkerung bei 14 bis 27 %. „Daneben werden Patienten mit chronischer viraler Hepatitis – Hepatitis B und C – und Chemotherapie-induzierter Hepatitis behandelt“, erklärte Dr. med. Annette Jänsch, Fachärztin für Innere Medizin Naturheilkunde, Abteilung Naturheilkunde, Immanuel Krankenhaus Berlin, Standort Berlin-Wannsee. „Einige Studien zeigen auch eine schnellere Abheilung einer akuten Hepatitis A unter Mariendisteltherapie.“ Bei der nichtalkoholischen Fettleber verbessert Mariendistel signifikant die Transaminasenaktivität und die Aktivität der Gamma-GT. Neben der Verbesserung der Laborparameter sind die Patienten weniger müde, leistungsfähiger und weisen eine bessere Schlafqualität auf. (red)