Bereits „seit der zweiten März-Hälfte“ habe man gewusst, dass es bei der Spitalsversorgung nie zu einer ernsthaften Krise gekommen wäre, räumte der Sonderbeauftragte im Gesundheitsministerium, Clemens Auer, nun ein. Allerdings sei noch unklar gewesen, wie hoch die Sterblichkeit der Krankheit sei.
Die Welt, Europa und auch Österreich seien „schlecht vorbereitet“ gewesen auf die Corona-Pandemie. Österreich habe aber „riesiges Glück“ gehabt, dass es Überkapazitäten bei der stationären Versorgung gab, sagte der Sonderbeauftragte im Gesundheitsministerium, Clemens Auer, in einer Online-Tagung der „SDGWatch Austria“. Und er ließ aufhorchen: Bereits „seit der zweiten März-Hälfte“ habe man gewusst, dass es bei der Spitalsversorgung nie zu einer ernsthaften Krise gekommen wäre. Allerdings sei noch unklar gewesen, wie hoch die Sterblichkeit der Krankheit sei. Diese sei „hoch, was die Risikogruppe angeht“, sagte er mit Blick auf ältere Personen. „Daher testen wir wie verrückt in Seniorenheimen und Pflegeheimen.“ Kritiker hatten der Regierung zuletzt vorgeworfen, dass man nicht schon Anfang April begonnen habe, die Corona-Maßnahmen zu lockern, als klar wurde, dass die Bedrohung nicht ganz so groß ist, wie befürchtet.
Eine weitere neue Erkenntnis sei, sagte Auer, dass auch „in prekären sozialen Verhältnissen“ lebende Menschen eine Risikogruppe seien. „Da würde man heute einen anderen Fokus setzen“, sagte Auer. Erst seit drei, vier Wochen sehe man, dass es auch eine Häufung unter Leiharbeitern gebe „die aus dem Migrantenmilieu“ kämen und schlechte Wohnbedingungen hätten, sagte er mit Blick auf die Cluster in ostösterreichischen Postverteilerzentren, deutschen Fleischfabriken oder auch „in einem Möbelhaus in Wien“. Dort habe es sich bei den Infizierten um Leiharbeiter gehandelt.
Auer äußerte sich auch in seiner Eigenschaft als Mitglied des Exekutivrates der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese sei zwar „ganz gut im epidemiologischen Assessment. Was wir nicht gelernt haben und was wir nicht können, ist ein umfassendes holistisches Assessment, wie wir mit solchen Pandemien umgehen.“ Auer, sieht die weltweiten Corona-Notmaßnahmen als einmalig an. „Wir werden uns nicht erlauben können, bei dem nächsten krassen Influenza-Virus, der zu einer Pandemie werden könnte, oder Corona-Geschichte, wieder einen mehr oder weniger globalen Shutdown zu machen.“ Für einen Shutdown brauche es „ein sehr wohl dosiertes Risiko-Adjustment“, sagte Auer unter Verweis auf die Corona-Opferzahlen. Schließlich seien von den 661 Corona-Todesopfern lediglich 38 Personen jünger als 65 Jahre gewesen.
Große Versäumnisse sieht Auer auch im Forschungsbereich. Die internationale Forschung zu Influenza- und Coronaviren habe „in den letzten 20 Jahren versagt“. Man wisse viel zu wenig über diese Bereiche, und die Grippeimpfstoffe würden heute immer noch so hergestellt wie in den 1950er-Jahren. „Da ist der industriellen Forschung in den letzten 50 Jahren nicht was Neues eingefallen“, äußerte der Experte die Hoffnung auf einen „massiven Forschungspush“ unter dem Eindruck der aktuellen Pandemie. (APA/red)