Die EU-Kommission hat ein erstes Eckpunktepapier für eine EU-weite Pharmastrategie vorgelegt, mit der die Unabhängigkeit der Medikamentenversorgung sichergestellt und Lieferengpässe eingebremst werden sollen. Aus Österreich kommt Lob.
Die Europäische Kommission will die Pharmaindustrie in der Europäischen Union stützen und mehr Unabhängigkeit in der Versorgung mit Medikamenten schaffen. Dazu veröffentlichte die Kommission nun ein erstes Eckpunktepapier. Die Corona-Pandemie zeige deutlich, dass es ein gemeinsames koordiniertes Vorgehen brauche, um derartigen Herausforderungen zu begegnen. Die Versorgung Europas mit sicheren und erschwinglichen Arzneimitteln sei dabei ebenso Ziel wie der Erhalt der weltweiten Führungsposition der europäischen Pharmaindustrie. Dazu solle die Abhängigkeit von Produzenten in Drittstaaten reduziert werden. Um diese Ziele zu erreichen, soll bis zum Ende des Jahres eine konkrete Pharma-Strategie unter Einbeziehung der EU-Staaten, der Öffentlichkeit sowie verschiedener Experten entwickelt werden.
Die Österreichische Apothekerkammer begrüßt die Ankündigung der EU-Kommission. „Für das Problem der Lieferengpässe bei Rohstoffen und Arzneimitteln braucht es endlich eine nachhaltige Lösung. Schon seit Jahren fordert die Apothekerkammer von der internationalen Politik Schritte, um die Produktion und die Lagerung von Arzneimitteln von Asien nach Europa zurückzuholen. Wir freuen uns über die nunmehrige Initiative der EU-Kommission“, erklärt Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer. Schon jetzt würden Apothekerinnen und Apotheker durchschnittlich zwei Stunden ihrer täglichen Arbeitszeit damit verbringen, vor Ort nicht erhältliche Arzneimittel zu beschaffen oder das Problem anderwärtig, etwa durch Ausweichen auf ein wirkstoffähnliches Produkt, zu lösen. „In mindestens 95 Prozent der Fälle gelingt uns dies, aber die Coronakrise hat das Problem vergrößert. Die Gratwanderung zwischen Lieferengpass und Versorgungsengpass wird immer steiniger“, warnt Mursch-Edlmayr.
Auch die pharmazeutische Industrie unterstützt das Vorhaben der EU. „Im Angesicht der Corona-Krise besteht ein starkes, gemeinsames Bedürfnis nach einer besseren Struktur für die Versorgung mit Arzneimitteln und medizinischer Ausrüstung. Wir sprechen uns hier klar für eine gemeinschaftliche Lösung auf europäischer Ebene aus und gegen einseitige, nationale Schritte“, sagt Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig. Dazu zählen für ihn als Konsequenzen der aktuellen Krise die Re-Industrialisierung Europas sowie der Aufbau von Notfallreserven auf europäischer Ebene. „Vor allem wenn es um den Aufbau höherer Lagerkapazitäten geht, werden wir nur dann zu einer ausgewogenen Lösung finden, wenn die komplexe Thematik von der Bedarfsplanung über die Logistik bis hin zur Finanzierung, gemeinschaftlich und ohne nationale Alleingänge diskutiert wird“, erklärt Herzog. Nationale Notfallreserven würden einen Rückschritt in Sachen Transparenz der Bestände in der Wertschöpfungskette bedeuten und können die Versorgungssituation in Europa eher anheizen statt sie zu verbessern. Von hoher Priorität sei dabei eine kollektiv verbesserte und strukturiertere Bedarfsplanung. (red)