NEOS-EU-Kandidat Brandstätter: „Transparenz gegen Engpässe“

© Daniel Shaked

Die EU-Wahl rückt näher und auch das Thema Gesundheit ist mittlerweile aus dem europäischen Kontext längst nicht mehr wegzudenken. Relatus PHARM hat die Spitzenkandidat:innen der Parteien zu den drängendsten Herausforderungen befragt.

Die EU plant eine neue Arzneimittelstrategie – wie stehen Sie zu den Plänen? Wir begrüßen die aktuellen Planungsentwürfe in weiten Teilen, uns ist aber wichtig, dass mögliche Mehrgleisigkeiten und überbordende Bürokratie verhindert werden. Da einige Unterlagen der übergeordneten Arzneimittelstrategie aber noch nicht final ausformuliert sind, sehen wir hier auch noch Gestaltungsspielraum, etwa um Redundanzen zwischen EU-weiten und nationalen Verfahren zu verhindern. Wichtig wird aber jedenfalls sein, dass beispielsweise bei der Suche nach Produktionsstandorten oder der Verteilung von Forschungsmitteln keine überflüssige Konkurrenz zwischen EU-Ländern entsteht, sondern die Mitgliedstaaten auch in der praktischen Umsetzung an einem Strang ziehen.

Probleme wie die mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten oder Abhängigkeiten bei der Produktion von Arzneimitteln halten sich hartnäckig. Lassen sich diese Probleme besser nationalstaatlich, oder auf EU-Ebene lösen? Es braucht beide Ansätze und Leadership auf beiden Ebenen. In Folge der Pandemie gibt es nun die Möglichkeit, dass mehrere Länder Medikamente gemeinsam einkaufen – bei bestimmten hochpreisigen Präparaten ist dies sicherlich von Vorteil. Bei Produktionsbedingungen oder der Preisgestaltung braucht es aber natürlich auch nationale Maßnahmen, da nicht alle Aspekte von der EU geregelt werden können.

Wo konkret wäre die EU als treibende Kraft zur Problemlösung punkto Medikamentenengpass gefragt? Es braucht mehr Transparenz zwischen den Mitgliedstaaten. Viele Engpässe könnten durch einen besser geregelten, transparenteren Markt zwischen den Ländern wohl auch besser geregelt werden. Oft weiß man aber nicht einmal innerhalb eines Landes, wie viele Packungen von welchen Medikamenten wo vorhanden sind und gerade bei unerwartetem Mehrbedarf könnte so Abhilfe geschaffen werden. Außerdem müssen wir an der Attraktivität des Forschungsstandortes arbeiten. Bestimmte Bereiche der Produktion werden in Europa nicht attraktiver werden können als in Billiglohnländern. Europa muss sich deshalb auf seine Kompetenzen konzentrieren und mit besten Forschungsbedingungen aus seinem Wissensvorsprung das nötige Kapital schöpfen, um pharmazeutische Unternehmen zu halten.

Die COVID-Pandemie hat auch Schwachstellen in den Gesundheitssystemen und bei der Versorgung aufgezeigt. Ist die EU mittlerweile auf eine nächste derartige Herausforderung vorbereitet? Die EU hat zumindest reagiert, um möglichst rasch Verbesserungsmaßnahmen in dieser Hinsicht zu treffen. Vieles ist allerdings erst in Ausarbeitung – wie eben die Arzneimittelstrategie. Besser vorbereitet ist man damit jedenfalls – wie gut, wäre aber wie so oft wohl eine Praxisfrage. Wie schon die COVID-Pandemie gezeigt hat, ist es gerade auch im Gesundheitsbereich von Relevanz, wie gut einzelne Länder zusammenarbeiten und wie groß die Bereitschaft zur Zusammenarbeit wirklich ist.

Der Versandhandel von Medikamenten wächst grenzüberschreitend. Internationale Onlineapotheken liefern auch nach Österreich. Welche Folgen hat das für Apotheken und wie soll sich die EU hier verhalten? Grundsätzlich sind die Auflagen für die Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten relativ hoch, diese können Versandapotheken auch gar nicht erfüllen. In tatsächlicher Konkurrenz stehen sie also nur bei rezeptfreien Medikamenten, was in Österreich ohnehin ein sehr viel eingeschränkterer Markt ist als in anderen Ländern. Mit diesem Problem ist der Einzelhandel aufgrund der Warenfreizügigkeit in allen Bereichen konfrontiert. Die EU ist allerdings zur Sicherung von Importen nötig, um das Einschleusen von gefälschten Produkten zu verhindern. Die Aufgaben des Zolls sind hier nicht zu unterschätzen und auch der Digital Services Act sollte zu mehr Sicherheit auf Onlineplattformen führen. Diese Vorgaben müssen von den Nationalstaaten bestmöglich umgesetzt werden und auch bei Patienten muss das Bewusstsein für gefälschte Medikamente und deren Gefahren verstärkt werden.

Gerade im laufenden Wahlkampf schwingt immer wieder die Frage mit: Wieviel EU ist möglich, wieviel nötig? Gesundheit fällt innerhalb der EU nach wie vor in nationale Zuständigkeiten. Soll sich das ändern? Im Gesundheitsbereich wird aktuell so viel wie noch nie auf EU-Ebene zusammengearbeitet und das ist gut so – wie bisherige Ergebnisse zeigen. Da Gesundheitssysteme in EU-Ländern aber so unterschiedlich funktionieren, müsste zuerst erhoben werden, in welchen Bereichen es überhaupt Sinn ergeben könnte. Ohne diese Information ist es wenig zielführend, über Zuständigkeitsänderungen zu diskutieren. (Das Interview führte Evelyn Holley-Spiess)