Ab Mittwoch berät die Welthandelsorganisation WTO über einen von über 100 Staaten unterstützten Antrag auf Freigabe von Patenten zur Eindämmung von Covid-19. Österreich und die EU tendieren eher zu Lizenzvereinbarungen – und ernten Kritik.
Die Diskussion über die Freigabe von Patenten für Corona-Impfstoffe geht weiter. Ab Mittwoch diskutiert der TRIPS-Rat (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) der WTO über eine Initiative zahlreicher Staaten – darunter der USA – für den TRIPS-Waiver. Das ist ein Antrag mit dem Titel „Verzicht auf einige Bestimmungen des TRIPS-Abkommens zur Prävention, Eindämmung und Behandlung von Covid-19“, den Südafrika und Indien dem TRIPS-Rat bereits 2020 vorgelegt haben. In der Zwischenzeit haben über 100 Staaten den Antrag unterschrieben. Der Gedanke: Die Freigabe würde es ermöglichen, die Produktion lebenswichtiger Covid-19-Impfstoffe, Medikamente und medizinischer Ausrüstung rasch auszubauen.
Kritik an der Initiative kommt von der Industrie. „Bei der globalen Verteilung von Covid-19-Impfstoffen ist nicht der Patentschutz das Hemmnis. Der Verzicht darauf würde das Problem nur verstärken, jedenfalls bezüglich der Produktion von Impfstoffen. Zielführender wären ein Abbau von Handelshemmnissen und die Bekämpfung von Engpässen bei Rohstoffen, ganz abgesehen vom Problem der anhaltenden Impfskepsis. Wir jedenfalls erfüllen unsere Verpflichtung dadurch, dass wir laufend ausreichend viele Impfstoffdosen zur Verfügung stellen. Deren faire Verteilung ist nicht Aufgabe der pharmazeutischen Industrie, sondern der Politik“, sagt Alexander Herzog, Generalsekretär der österreichischen Pharmaverbandes Pharmig auf RELATUS-Anfrage.
Nicht gelten lassen wollen diese Argumente NGOs und die globalisierungskritische Plattform Attac. Aus Anlass des WTO-Treffens hat das Europäische Attac Netzwerk eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der vor allem die europäische Blockade des TRIPS-Waivers scharf verurteilt wird. Die europäischen Regierungen würden in der Pandemie „eine beschämende Rolle bei der Ausweitung der Ungleichheit“ spielen, „die an eine koloniale und rassistische Politik erinnert, die viele unserer Länder seit Jahrhunderten betreiben.“ Während die europäischen Regierungen Impfstoffe weit über ihren Bedarf hinaus beschafft hätten, seien in Ländern mit niedrigen Einkommen bisher nur 0,5 Prozent der Bevölkerung geimpft. Wenn diese Ungleichheit fortbestehe, werde sie nicht nur weitere Millionen Menschenleben fordern und unser aller Gesundheit gefährden, sondern auch die globale Ungleichheit jahrzehntelang verfestigen, schreibt das Netzwerk, das vor weiteren Mutanten aus ärmeren Ländern warnt. Gefordert wird eine „radikale Reform des Systems des geistigen Eigentums, um Wissen gemeinsam zu nutzen und dem Gemeinwohl Vorrang einzuräumen.“ Zudem will man die Schaffung öffentlicher und staatlicher Forschungs- und Produktionskapazitäten auf der ganzen Welt.“
Vertreten wird Österreich ab Mittwoch bei der WTO vom Wirtschaftsministerium, heißt es aus RELATUS-Anfrage im Gesundheitsministerium. Die Position hier orientiert sich an jener der EU: „Ohne klare Lizenzvereinbarungen soll es keine öffentlichen Förderungen für Impfstoffhersteller geben.“ Priorität Nr. 1 sollte aber sein, ausreichend Impfstoffe zu haben. „Daher müssen Unternehmen alles daransetzen, die Produktion zu steigern. Situationen, in denen Unternehmen nicht genügend Kapazität zur Impfstoffproduktion hatten, haben gezeigt, dass Lizenzvereinbarungen notwendig sind“, teilt ein Ministeriumssprecher mit. Die WTO sollte deshalb die Lizenzen dafür vergeben. Nachsatz: „Grundsätzlich gilt es die Pandemievorsorge zu fördern und globale Solidarität durch Technologie und Wissenstransfer zum Ausdruck zu bringen.“ Patente seien „im Regelfall wichtig, da sie innovationsfördernd wirken.“ In diesem Zusammenhang gelte es daher auch Public-Private Partnerships zu stärken. (red)