Neue EU-Verordnung sorgt für Unsicherheit

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Eine bevorstehende EU-Verordnung könnte den Zugang zu neuen Therapien erleichtern, stellt Österreich aber gleichzeitig vor Herausforderungen.

Die bevorstehende EU-Health Technology Assessment (HTA)-Verordnung 2025 zielt darauf ab, den Nutzen innovativer Therapien zu bewerten und die Basis für nachfolgende Preis- und Erstattungsentscheidungen bereitzustellen. Mit der Verordnung soll zwar ein einheitlicher Rahmen für die Einschätzung auf europäischer Ebene geregelt werden, die Handhabung der gemeinsamen klinischen Bewertungen liegt aber bei den Mitgliedsstaaten – und genau das sorgt derzeit für Unsicherheit in der österreichischen Industrie, denn bis jetzt ist noch nicht klar, welche nationalen Einrichtungen für die Anwendung der HTA-Bewertungen zuständig sind. Bei einer Informationsveranstaltung der Pharmig, der Interessensvertretung der Pharmaindustrie, sprachen Expert:innen deshalb über die damit zusammenhängenden rechtlichen Aspekte für den Spitals- und niedergelassenen Bereich in Österreich. Auch die Rolle des geplanten Arzneimittel-Bewertungsboards in Österreich, das in den Prozess eingebunden sein soll, wurde dabei diskutiert. „Das neue Bewertungsboard wird Prozesse durchführen, die einem HTA entsprechen und Empfehlungen abgeben. Es ist aber nicht das einzige Gremium mit HTA-Aufgaben in Österreich“, meinte dazu Karl Stöger, Experte für Medizinrecht am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, der sich für ergänzende nationale Vorschriften einsetzte, um Klarheit zu schaffen.

Bei der EU-HTA-Bewertung besteht kein Befolgungsanspruch. Stöger betonte allerdings, dass der Einsatz von Arzneimitteln im Krankenhausbereich am Stand der Wissenschaft erfolgen muss und eine gemeinsame klinische Bewertung auf nationaler Ebene nicht ignoriert werden kann. Laut Gisela Ernst vom Institut für Europarecht und Internationales Recht der Wirtschaftsuniversität Wien müsse dennoch klar sein, dass das HTA lediglich als Entscheidungshilfe der zu bewertenden Gesundheitstechnologie im nationalen Gesundheitswesen diene: „Entscheidungen, die darüber hinausgehen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Beschaffung, Preis, Einsatz und Erstattung bleiben aus unionsrechtlicher Sicht von der klinischen Bewertung unberührt, da sie keine nationalen HTAs darstellen, sondern diesen nachgelagert sind.“ Der HTA-Prozess ende daher, sobald es um diese Entscheidungen gehe. Für den niedergelassenen Bereich sieht Birgit Schrattbauer, Fachbereich Arbeits- und Wirtschaftsrecht, Abteilung Arbeits- und Sozialrecht an der Paris-Lodron-Universität Salzburg, keine Probleme. Denn hier existiere mit dem Erstattungskodex bereits ein etabliertes Instrument, mit dem der Zugang der Versicherten zu Arzneimitteln auf Kosten der Krankenversicherung gesteuert werde. Wichtiger sei es laut Schrattbauer, welche Chancen sich bei Aufnahmen in den Erstattungskodex ergeben würden, vor allem bei bereits im Spitalsbereich eingesetzten Therapien. „So ist die faktische überwiegende Verwendung in Krankenanstalten beispielsweise kein Ausschlusskriterium für die Erstattungsfähigkeit eines Medikaments im niedergelassenen Bereich, wenn es nach geltenden Standards auch außerhalb von Krankenanstalten eingesetzt werden kann oder bereits wird“, hielt die Rechtsexpertin fest. Alle Expert:innen sprachen sich für eine effektive Zusammenarbeit zwischen Politik, Behörden, Krankenanstaltenträgern, Patient:innenorganisationen und der pharmazeutischen Industrie für die Planung und Umsetzung des Prozesses auf nationaler Ebene aus. (red)