Schweizer Forschende haben eine verbesserte Methode entwickelt, neue pharmazeutische Wirkstoffe zu finden. Das Interesse aus Forschung und Industrie ist „immens“.
Forschende der ETH Zürich haben einen Weg gefunden, um mit magnetischen Partikeln riesige Molekülsammlungen herzustellen und zu testen. Über diese sogenannten DNA-kodierten Substanzbibliotheken (DNA-encoded chemical libraries, kurz DEL) konnten bisher nur Millionen von chemischen Verbindungen erzeugt und auf ihre Wirksamkeit getestet werden. Das hatte außerdem den Nachteil, dass die Forschenden nur kleine Moleküle aus wenigen chemischen Bausteinen bauen konnten. Mit der verbesserten Methode, die kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde, können Wissenschaftler:innen nun nicht mehr nur einige Millionen, sondern Milliarden von verschiedenen Substanzen innerhalb weniger Wochen automatisiert herstellen und testen. Dank eines neuentwickelten Selbstreinigungsmechanismus ermöglicht es diese Methode auch, größere Wirkstoffmoleküle wie zyklische Peptide zu erzeugen. Dadurch lassen sich zusätzliche pharmakologische Ziele ins Visier nehmen.
„Wir können jetzt nicht nur nach kleinen Wirkstoffen suchen, die wie ein Schlüssel ins Schloss der aktiven Stelle von therapeutisch relevanten Proteinen passen, sondern auch nach größeren. Diese größeren Wirkstoffe können nicht nur in aktive Zentren des Proteins, sondern auch an einer anderen bestimmten Oberfläche eines Proteins andocken und so zum Beispiel verhindern, dass es an einen Rezeptor bindet“, erklärte Jörg Scheuermann, der mit seiner Forschungsgruppe am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften zu den Pionier:innen der DEL-Technologie gehört. Die Möglichkeit, Moleküle zu finden, die an bestimmte Oberflächen von Proteinen binden, ist auch für die biologische Grundlagenforschung sehr nützlich. Forschende können Proteine so direkt in Zellen markieren und untersuchen.
„Das Interesse aus Industrie und Forschung, besonders auch an den bislang nicht in großer Zahl zugänglichen zyklischen Molekülen, ist immens“, sagte Scheuermann. Die Methode der ETH könnte vor allem große internationale Forschungsprojekte wie „Target 2035“ unterstützen. Dieses Projekt hat das Ziel, bis 2035 für jedes der rund 20.000 menschlichen Proteine ein Molekül zu finden, das spezifisch an das Protein bindet und seine Funktion beeinflussen kann. Um die Technologie der Pharmaindustrie und der Grundlagenforschung möglichst effizient zur Verfügung zu stellen, werden Scheuermann und sein Team ein Spin-off-Unternehmen gründen. Dieses wird den gesamten Prozess von der Entwicklung von DEL-Sammlungen durch die automatisierte Synthese bis hin zu ebenfalls automatisierten Wirkungstests und zur DNA-basierten Identifizierung der Moleküle anbieten. (kagr)