Braucht es Preiserhöhungen bei Medikamenten?
Zuletzt wurde viel über Reformen im Gesundheitssystem diskutiert. Ein Kritiker ist ÖGK-Arbeitnehmer:innen-Obmann Andreas Huss. Die Newsplattform Relatus hat mit ihm gesprochen.
Ein wichtiges Gesundheitsthema ist derzeit der künftige Finanzausgleich. Die Bundesländer wollen hier mehr Geld und Verschiebungen in den ambulanten Bereich. Was halten Sie davon? Für die Diskussion zum Finanzausgleich ist relevant zu wissen, dass die Zahlen in den Spitalsambulanzen nicht explodieren, sie sind in den Coronajahren sogar zurückgegangen und stagnieren auf einer Frequenz von etwa 17,4 Millionen pro Jahr. Bei den Krankenhausaufnahmen und Belagstagen gehen seit Jahren die Zahlen sogar klar zurück. Die stationären Aufnahmen sind seit 2010 von knapp 3 Millionen im Jahr 2010 auf 2,3 Millionen im Jahr 2021 gefallen. Die Krankenhaus-Belagstage sind erfreulicherweise von 13,7 Millionen im Jahr 2010 auf 10,4 Millionen im Jahr 2021 gefallen.
Was wollen Sie und die ÖGK? In den anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen wollen wir die Chance nutzen, um die großen Herausforderungen anzugehen und strukturelle Verbesserungen für die Bevölkerung zu erreichen. Das bloße Hin- und Herschieben von Geld beziehungsweise der Streit ums Geld auf dem Rücken der Patient:innen muss endlich zu Ende sein. Neben der besseren Verschränkung von spitalsambulanter und niedergelassener Versorgung, dem rascheren Ausbau der Primärversorgung, einem öffentlichen und niederschwelligen Impfprogramm wollen wir endlich eine einheitliche Abgabe von Heilbehelfen und Hilfsmitteln in allen Bundesländern. Wir wollen mit dem Bund und den Ländern gemeinsam an einer niederschwelligen und für alle Menschen gleichermaßen verfügbaren hochwertigen öffentlichen Gesundheitsversorgung arbeiten und diese nicht dem gewinnorientierten privaten Markt überlassen.
Eine Herausforderung sind neue, teure Medikamente, die zunehmend aus den Spitälern in den niedergelassenen Bereich wandern und dort verschrieben werden. Wird das für die ÖGK mittelfristig nicht zum Problem? Es soll in Zukunft für Versicherte mit Bedarf an teuren Medikamenten und Therapien egal sein, ob sie im Krankenhaus oder im niedergelassenen Bereich versorgt werden. Hier muss ein gemeinsamer Finanzierungstopf kommen, damit moderne, teure Medikamente und Therapien für alle in Österreich zur Verfügung stehen. Auch in der Versorgung von psychischen Krankheiten brauchen wir ein großes Upgrade mittels insgesamt mindestens 35 multiprofessionellen psychosozialen Versorgungszentren. In diesen Häusern können Versicherte ein breites Spektrum von Psychiatrie, Psychotherapie, Psychologie bis Sozialarbeit unkompliziert und ohne Zuzahlung in Anspruch nehmen.
Der Rechnungshof hat kritisiert, dass zu wenig auch Prävention fokussiert wird. Was wollen Sie hier tun? Unser klares Ziel für die nächsten Jahre ist der massive Ausbau von Gesundheitsförderung und Prävention, um den Fokus von der Reparaturmedizin auf die Verbesserung von Lebensbedingungen zu richten. Gesundheitsförderung bedeutet vor allem, die Lebensbedingungen für alle Menschen in allen Gesundheitsdeterminanten zu verbessern. Hier müssen wir mit allen Politikbereichen noch stärker zusammenarbeiten. Denn die medizinische Versorgung ist nur ein Einflussfaktor unter vielen. Wo Gesundheitskasse draufsteht, muss auch Gesundheitskasse drinnen sein. Denn unsere Gesundheit beginnt eben nicht erst beim Arzt, sondern in unseren Lebensumwelten und nur dort. Gute Arbeitsbedingungen, eine vernünftige Wohnsituation, eine intakte Umwelt und soziale Netzwerke sind ebenso stärkende Faktoren für eine gute Gesundheit, das ist wissenschaftlich klar bewiesen. Prävention bei Lebensstilerkrankungen wie Diabetes, Adipositas, Bluthochdruck, aber auch bei psychischen Belastungen muss eine unserer Kernaufgaben werden. Hier haben wir noch einiges vor und deswegen haben wir auch ein engagiertes Präventions- und Gesundheitsförderungs-Arbeitsprogramm mit vielen Angeboten für unsere Versicherten im Verwaltungsrat beschlossen. Unser langfristiges Ziel ist es die Ausgaben für diesen Bereich von 1,4% unserer Leistungsausgaben auf 5% zu erhöhen. (Das Interview führte Martin Rümmele)