Die Ärztekammer pocht erneut auf Medikamentenabgabe in Ordinationen. Die Apothekerkammer weist das zurück. Ein Sturm im Wasserglas, oder mehr?
Die Bundeskurie niedergelassene Ärzte der Österreichischen Ärztekammer fordert erneut eine Liberalisierung der Medikamentenabgabe. „Nehmen wir das Beispiel eines Hausbesuches am Samstagabend mit der Diagnose Bronchitis. Wenn hier sofort das richtige Medikament vom Arzt verabreicht wird, dann muss daraus keine Lungenentzündung werden. Davon abgesehen, dass der Patient, der ja ohnehin schon so krank ist, dass er auf den Hausbesuch angewiesen ist, keine weiten und beschwerlichen Wege auf sich nehmen muss“, erklärt Dietmar Bayer, stellvertretender Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte. Einzig der Widerstand und das Lobbying der Apothekerkammer würden den Schritt in Richtung besserer und moderner Patientenversorgung verhindern. Stichhaltige Argumente gebe es nicht, so Bayer. Er könne und wolle auch nicht einsehen, dass bei allen Veränderungen im Gesundheitssystem nur das Monopol der Apotheken zur Medikamentenabgabe bleiben solle. Dabei sei dieses Konzept nicht nur verstaubt, sondern auch überholt, sagte Bayer.
„Eigentlich sollte das selbstverständlich sein, aber die aktuelle Gesetzeslage verursacht statt menschenzentrierter Versorgung eher Schildbürgerstreiche am laufenden Band“, kritisiert Silvester Hutgrabner, Leiter des ÖÄK-Referates für Hausapotheken und Medikamentenangelegenheiten. Viele davon drehen sich um die Kilometergrenze, die den Abstand zwischen öffentlichen Apotheken und Hausapotheken reglementiert. Im Apothekengesetz ist dazu festgehalten, dass im Umkreis von vier Straßenkilometern einer öffentlichen Apotheke gar keine ärztlichen Hausapotheken bewilligt werden, im Umkreis zwischen vier und sechs Kilometern nur in Form einer Nachfolgepraxis. Konsequenterweise müssten auch langjährig bestehende ärztliche Hausapotheken geschlossen werden, wenn – aus welchen Gründen auch immer – innerhalb von vier Kilometern eine Konzession für eine neue öffentliche Apotheke erteilt wird. Eine kürzlich durchgeführte Studie bestätige zudem: Der Ausbau von ärztlichen Hausapotheken könnte bis zu 400 neue Kassenärzt:innen bringen, rechnet Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte vor.
Die Apothekerkammer sieht wiederum die Versorgungssicherheit durch die Forderung nach mehr ärztlichen Hausapotheken gefährdet. „Das aktuelle, bereits angeschlagene Gesundheitssystem ist ohne Apotheken nicht aufrechtzuerhalten. Jede Apotheke in Österreich hat durchschnittlich 50 Stunden pro Woche geöffnet. In dieser Zeit werden österreichweit täglich mehr als 500.000 Kund:innen persönlich beraten und versorgt. Eine ärztliche Hausapotheke hingegen ist im Vergleich dazu nur etwa 20 Stunden erreichbar, leistet keinen Wochenend- oder Feiertagsdienst und bleibt zirka sieben Wochen im Jahr aufgrund von Urlaub, Krankheit etc. geschlossen“, sagt Gerhard Kobinger, 2. Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer (ÖAK). Maßnahmen zur Attraktivierung des landärztlichen Berufes müssen an anderer Stelle ansetzen als bei der Medikamentenabgabe.
„Die weitgehende Trennung der ärztlichen Tätigkeit von der Arzneimittelabgabe existiert international seit mehr als 800 Jahren als Standard und ist zur Vermeidung potentieller Interessenkonflikte unerlässlich. Internationale Studien weisen darauf hin, dass es zu einer Mehrverschreibung kommt, wenn Arzneimittelverschreibung und -abgabe in einer Hand liegen, was zusätzliche Kosten für das Gesundheitssystem bedeutet“, ergänzt ÖAK-Präsidiumsmitglieder Susanne Ergott-Badawi. Die Gesundheitsreform wurde am Donnerstag ohne entsprechende Änderungen im Nationalrat beschlossen. Damit dürfte es in absehbarer Zeit keine Reformen in Sachen Hausapotheken geben. (red)