Die Neueinführung eines Bewertungsboards im Krankenhaussektor würde die Patientenversorgung verschlechtern, kritisieren Industrie und Patientenvertreter:innen.
Im Rahmen der Gesundheitsreform ist wie berichtet geplant, spezialisierte und innovative Therapien vor deren Einsatz im Krankenhaus durch ein neu einzurichtendes Bewertungsboard evaluieren zu lassen. Das Ziel sei, österreichweit ein einheitliches Niveau bei der Versorgung mit hoch innovativen Therapien in den Krankenanstalten zu erreichen, heißt es aus Regierungskreisen. Kritik kommt allerdings von Industrie und Patientenvertreter:innen. „Wenn es nicht mehr den behandelnden Ärzt:innen obliegt, gemeinsam mit Betroffenen über den Einsatz einer Therapie zu entscheiden, sondern einem mehrheitlich patientenfernen und fachfremden Board in einem monatelangen bürokratischen Prozess, wird das die Versorgung definitiv verschlechtern“, warnt Alexander Herzog, Generalsekretär des Pharmaverbandes. Entweder würden dann Therapien verzögert verfügbar gemacht oder sogar überhaupt verhindert. „Das ist gerade bei so schweren Krankheiten wie beispielsweise Krebs oder seltenen Erkrankungen fatal, wo jeder Tag für die Patient:innen zählt.“
Konkret wird die Besetzung des Gremiums kritisiert, denn es fehle darin die je Indikationsgebiet erforderliche fachmedizinische Expertise und Patientenorganisationen sind gänzlich ausgeklammert. „Damit entscheiden dominant Personen über den Einsatz von Therapien, die das eigentlich gar nicht können und die vielmehr einen wirtschaftlichen und keinen medizinischen oder patientenorientierten Blick auf die Therapien haben“, ärgert sich Herzog. Zwar sind drei Pharmakolog:innen vorgesehen und können gegebenenfalls medizinische Expert:innen beigezogen werden, aber das bilde die notwendige fachspezifische Perspektive nur äußerst bedingt ab. Zwar soll die Patientenanwaltschaft fixer Teil des Boards sein, aber ohne Stimmrecht.
Das geplante Bewertungsboard wäre auch ein falsches Signal in Richtung Arzneimittelforschung. „Fakt ist, dass klinische Forschung vermehrt in jenen Ländern stattfindet, die einen raschen und frühen Zugang zu neu entwickelten Therapien ermöglichen, und zwar durch entsprechend förderliche Rahmenbedingungen. Ist das nicht der Fall, kann dies dazu führen, dass innovative Therapien erst später, eingeschränkt oder gar nicht verfügbar werden.
Auch der Bundesverband Selbsthilfe Österreich (BVSHOE) sieht die Patientensicherheit gefährdet. Er sieht die Reform im Bereich innovativer Therapien im Widerspruch zum Ärztegesetz. In diesem werden Ärzt:innen angehalten nach „state of science“, also dem aktuellen Stand der Wissenschaft, raschest mit der besten Therapie zu therapieren. Die geplante Novelle spreche die Entscheidung über den Einsatz von innovativen Therapien im Krankenhaus aber einem Gremium zu, das mehrheitlich aus Behördenvertreter:innen bestehe. Österreich sei zudem angehalten, der EU-Strategie „health in all policies“ folgend, in diesen Prozessen die Beteiligung und Einbringung der demokratisch gewählten Patientenvertreter:innen bindend zu berücksichtigen. (red)