Österreich schickt als eines von insgesamt sechs Ländern einen Kandidaten für die Leitung der Europaregion der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ab 2020 ins Rennen. Der frühere Sektionschef im Gesundheitsministerium, Dr. Clemens Martin Auer, rittert um diese Position. Er sieht sich auf einem “Außenseiterticket”. Handlungsbedarf ortet er etwa bei den Themen Medikamentenzugang und Primärversorgung.
Die Europaregion der WHO umfasst 53 Länder – “von Kasachstan bis Island, von Israel bis Norwegen”, wie es Auer am Dienstag im Gespräch mit Journalisten in Brüssel formulierte. Gute Chancen rechnet sich Auer gerade deshalb aus, da er – anders als vier seiner fünf Konkurrenten – nicht aus der WHO kommt: “Die Mitgliedsländer wollen ‘Change’, und das ist leichter zu bewerkstelligen, wenn du von außen und nicht von innen kommst.”
Er sei “Experte”, der aber auch praktische Erfahrung mitbringe, wenn es um Transformation geht, verwies Auer auf seine jahrelange federführende Tätigkeit im Zusammenhang mit der österreichischen Gesundheitsreform. Sollte er Direktor der WHO-Europa werden, möchte er sich u.a. der besseren Zugänglichkeit von Medikamenten widmen. Er würde eine Art Plattform einrichten, in deren Rahmen Vertreter der Länder gemeinsam die “Interessen der Patienten und der öffentlichen Bezahlsysteme gegenüber der Industrie” verteidigen sollen.
Handlungsbedarf sieht Auer auch bei der medizinischen Erstversorgung: “Es braucht dringend neue Ausbildungspläne für Ärzte sowie für Gesundheits- und Sozialberufe.” Außerdem sei das derzeit auch in Österreich vorherrschende System der Einzelordinationen “nicht leistungsstark”. Und voranbringen will der heimische Kandidat nicht zuletzt Strategien gegen antibiotika-resistente Keime, die zu den größten Bedrohungen des Gesundheitssystems zählten.
Die geheime Wahl des neuen Regionaldirektors für Europa erfolgt bei der nicht-öffentlichen Sitzung des Regionalkomitees, die von 16. bis 19. September in Kopenhagen stattfindet. Im Vorfeld kann jedes Regionsmitglied einen Kandidaten nominieren. Neben Österreich haben zwei EU-Staaten, nämlich Belgien (Hans Kluge) und Bulgarien (Hristo Ruskov Hinkov) sowie die Türkei (Nedret Emiroglu), Armenien (Tatul Hakobyan) und Georgien (Natela Menabde) von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Clemens Martin Auer, Jahrgang 1957, war von 2005 bis 2018 Sektionschef im Gesundheitsministerium und gilt als maßgeblicher Architekt der Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre. Durch den organisatorischen Umbau des Sozial- und Gesundheitsministeriums unter Türkis-Blau verlor er seinen Job und wurde stattdessen zum Sonderbeauftragten für Gesundheit bestellt. Seit 2017 ist der Experte außerdem Präsident des European Healthforum Gastein – eine interdisziplinäre europäische Gesundheitskonferenz, an der EU-Kommission, WHO und Gesundheitsministerium beteiligt sind. (APA)