Parteipolitische Interessen bremsen zunehmen sinnvolle Lösungen – etwa beim Mangel an Gesundheitsberufen. Nicht selten laufen die Bruchlinien entlang der Bundesländergrenzen.
Es ist ein scheinbar kleiner Bereich und doch ist der bezeichnend für die Gesundheitspolitik der vergangenen zweieinhalb Jahre: Im Juni dieses Jahres haben National- und Bundesrat die Einführung des Facharztes für Kieferorthopädie beschlossen. Damit sollte eine schon seit Jahrzehnten bestehende Lücke in der Gesundheitsversorgung geschlossen werden. Trotz einstimmiger Beschlüsse im Nationalrat und in der Länderkammer – dem Bundesrat – wird der Facharzt für Kieferorthopädie nun doch nicht in Österreich eingeführt. Grund dafür sind offenbar Einsprüche der Länder Wien, Burgenland und Kärnten.
Für das Inkrafttreten der Bestimmungen ist nämlich neben Beschlüssen des National- und Bundesrats auch die Zustimmung der Länder von Nöten. „Es gibt einen einstimmig abgesegneten Auftrag der Parlamentsparteien in Form eines Entschließungsantrags, es gibt einen einstimmigen Gesetzesbeschluss im Nationalrat, einen einstimmigen Beschluss im Bundesrat, und was machen die Bundesländer Wien, Burgenland und Kärnten? Sie verweigern die Zustimmung. Das alles ohne Vorankündigung, und ohne auch nur eine sachliche Begründung in der Sache selbst zu liefern“, zeigt sich der Gesundheitssprecher der Grünen, Ralph Schallmeiner, verärgert über das Verhalten der drei SPÖ-geführten Bundesländer. Die Grünen weisen darauf hin, dass mit dieser Entscheidung Österreich als eines der wenigen europäischen Länder ohne Facharztausbildung für Kieferorthopäd:innen übrigbleibt.
Das Problem geht aber tiefer: Regierung und Opposition haben sich auch während der Pandemie bisher immer wieder gegenseitig blockiert. Landtagswahlen wurden zum Anlass genommen, dass man sich gegenseitig schlechtes Management und hohe Infektionszahlen (im Fall Wiens) oder niedrige Impfzahlen (im Fall Oberösterreichs) vorgeworfen hat. Stakeholder im Gesundheitswesen, die eine wie immer gelagerte Maßnahme bremsen wollen, können das auch über ein einzelnes Bundesland spielen. Und nun hat auch noch der Verfassungsgerichtshof die Zielsteuerung im Gesundheitsbereich gebremst. In der Zielsteuerung suchen Länder, Sozialversicherung und Bund nach gemeinsamen Versorgungslösungen. Was aus Sicht des VfGH aber fehlt, ist die Zustimmung der Länder zur Einsetzung der Gesundheitsplanungs GmbH, die Planungen für verbindlich erklären kann. Ob diese von allen Ländern kommt, darf bezweifelt werden. Das könnte wiederum auch die Beschäftigten im System treffen, weil der Druck steigt.
Nicht zuletzt sei noch erwähnt, dass ich im Übrigen der Meinung bin, dass der Föderalismus gesundheitsschädigend ist und sich die Bundesländer in Gesundheitsfragen zunehmend als inkompetent erweisen. Es braucht endlich Transparenz über regionale Ausgaben, Erkrankungszahlen, Spitalsdaten und eine zentrale Steuerung. (rüm)