Eine breite Pflege-Allianz von Arbeitgeberverbänden, Dach- und Berufsverbänden sowie Trägerorganisationen und Arbeitnehmervertretungen haben die Regierung in einem ungewohnten Bündnis zu ernsthaften Reformschritten aufgefordert.
Die Pflege-Herausforderungen müssten „beherzt und kraftvoll“ in Angriff genommen werden, heißt es in einem „Offenen Brief“ an die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung. Die Beschäftigten in diesem Bereich, die beteiligten Organisationen und insbesondere die Betroffenen und ihre Angehörigen hätten es sich verdient, „dass man sich dieses Themas seitens der politisch Verantwortlichen endlich ernsthaft annimmt“, heißt es in dem Schreiben. Es könne nicht sein, dass das Thema Pflege nur in der Krise Beachtung findet „und dann wieder aus dem politischen Diskurs verschwindet“, mahnt das Bündnis. Unterzeichnet wurde der Brief nicht nur von den Vorsitzenden der großen Hilfsorganisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe, sondern auch vom Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen, dem Bundesverband Lebenswelt Heim sowie dem Gesundheits- und Krankenpflegeverband. Auch die Arbeiterkammer Wien, die Fachgruppenvereinigung für Gesundheits-und Sozialberufe im ÖGB, die Gesundheitsgewerkschaft (GÖD) sowie auf der Arbeitgeberseite die Sozialwirtschaft Österreich unterstützten das Schreiben.
Man erwarte einen „strukturierten, zielgerichteten Prozess unter ernsthafter und nicht bloß oberflächlicher Einbindung der wichtigsten in diesem Thema verantwortlich tätigen Stakeholder“, heißt es in den Forderungen an die Regierung. Gefordert wird auch ein Pflegegipfel: Dieser dürfe jedoch nicht mit einer Pressekonferenz beginnen, sondern dessen Ergebnisse sollten „nach seinem Stattfinden verkündet werden, bei dem Schwerpunkte festgelegt, Priorisierungen vorgenommen, Arbeitsaufträge vereinbart und ein Stufenplan für die Umsetzung entwickelt werden“. Der „größte und dringlichste Handlungsbedarf“ bestehe in der Gewinnung und Bindung von ausreichend qualifiziertem Personal, so die Unterzeichner. Es gehe dabei einerseits um die Sicherstellung einer adäquaten flächendeckenden Versorgung, andererseits darum, die Belastungen der schon in diesem Bereich Tätigen zu reduzieren. Man müsse die Weichen jetzt stellen, da es bei der Ausbildung einen jahrelangen Vorlauf gebe. Auch müsse die Finanzierung der Betreuung und Pflege in Österreich nachhaltig sichergestellt werden.
Sozial- und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) betonte in einer ersten Reaktion, die erhobenen Forderungen „gut verstehen“ zu können. Den Vorwurf, dass bisher nichts weitergegangen sei, könne er nicht nachvollziehen. Mückstein verwies auf den von seinem Vorgänger Rudolf Anschober initiierten Prozess der „Taskforce Pflege“, die Anfang 2020 eingerichtet worden war, um die Reform des Pflegesektors einzuleiten. Deren Bericht wurde im vergangenen Februar präsentiert. Nun gehe es an die politische Umsetzung, in die alle Systempartner und Stakeholder eingebunden werden sollen. So brauche es etwa eine Verbesserung der Ausbildung, betonte Mückstein. Auch müssten die Arbeitsbedingungen für Menschen im Pflegebereich verbessert werden. Dazu gehöre auch eine bessere Bezahlung, zudem müsse sich das Verhältnis von Pflegenden zu Betreuenden ändern. „Da werden wir genau hinschauen“, so der Minister. (red)