Monatelang haben Sozialversicherung und Pharmabranche über neue Preisregelungen verhandelt. Am Donnerstagabend wurde dann im Nationalrat überraschend eine Änderung fixiert, die die Industrie wenig freut.
Fast hätte man es übersehen: Am Donnerstag wurden im Nationalrat wieder einmal und vor allem im Hinblick auf die Corona-Pandemie das ASVG und andere Sozialversicherungsgesetze novelliert. Es wurden nicht nur Leistungsharmonisierungen, sondern auch Bestimmungen in Bezug auf die Ausstellung von Covid-19-Risikoattesten mit den Regelungen im Impfpflichtgesetz harmonisiert. Und dann brachten ÖVP und Grüne vor der Abstimmung auch noch einen Abänderungsantrag ein, der unter anderem eine letztmalige Verlängerung der Preisbandregelung für Medikamente bis Ende 2023 vorsieht. Mit dabei: Für „No Box“-Medikamente, also jene, die nicht im Erstattungskodex gelistet sind, wird jetzt nämlich ein Abschlag von 6,5% vom EU-Durchschnittspreis eingeführt. Der Grüne Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner begründete den Abänderungsantrag damit, dass pandemiebedingt eine umfassende Überarbeitung der Preisbildungsregelungen im Bereich des Erstattungskodexes nicht möglich sei.
Die Pharmawirtschaft, vertreten durch den Fachverband der Chemischen Industrie FCIO, den Österreichischen Generikaverband OeGV sowie den Verband der pharmazeutischen Industrie PHARMIG, reagierte am Wochenende überrascht. Man habe mit dem Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger Vorschläge für Anpassungen in Preis- und Erstattungsfragen bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln erarbeitet. Damit sollte Planbarkeit für beide Seiten zumindest für die nächsten beiden Jahre sichergestellt werden, wurde mitgeteilt. „Die Vorschläge, die nun im Nationalrat beschlossen wurden, spiegeln aber in keiner Weise den Konsens wider, auf den sich die Verhandlungspartner in vielen, sehr fordernden Gesprächen geeinigt hatten“, zeigte sich Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG, vom Vorgehen von Vertretern des Gesundheitsministeriums enttäuscht und schockiert.
Die mit dem Dachverband erzielte Einigung „stellte einen sehr verantwortungsvollen Pfad dar, um Ökonomie und Gesundheitsversorgung in einer für alle vertretbaren Balance zu halten. Diese Einigung wurde vom Gesundheitsministerium mutwillig torpediert. Eine der beschlossenen Regelungen stellt ausnahmslos die Arzneimittelausgaben in den Mittelpunkt, ohne auf ein für uns alle angemessenes, hohes Niveau in der Gesundheitsversorgung zu achten.“ Beabsichtigt war offenbar ursprünglich, das mit 2017 eingeführte Preisband zu adaptieren. Dieses legt fest, dass sich die Preise von wirkstoffgleichen Arzneimitteln innerhalb eines bestimmten Preisgefüges befinden müssen, andernfalls sie aus der Erstattung gestrichen werden. Die bisher gültige Regelung schrieb vor, dass dieser Preis maximal 30 Prozent über dem des jeweils günstigsten Anbieters eines Wirkstoffs liegen durfte. Dies ist nun auf 20 Prozent gesenkt worden. Eine Ausnahme soll für Produkte bestehen, deren Preis unter der Kostenerstattungsgrenze liegt. „Das war Ergebnis der gemeinsamen konstruktiven Gespräche zwischen Pharmawirtschaft und Sozialversicherung“, sagt Sylvia Hofinger, Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs FCIO. Der Preisabschlag von 6,5 Prozent auf den EU-Durchschnittspreis konterkariere „jegliches Engagement um eine Stärkung des Produktions- und Forschungsstandortes Österreich“, ärgerte sich Hofinger. (rüm)