Der österreichische Zoll hat am Dienstag den Produktpirateriebericht 2020 präsentiert, der vom Finanzministerium jährlich an den Nationalrat übermittelt wird. Bei Arzneimitteln gab es einen Rekord an Aufgriffen.
Die Anzahl der insgesamt vom Zoll beschlagnahmten Sendungen hat sich gegenüber 2019 um 60 Prozent erhöht. Die daraus resultierenden Rechtsverfahren haben sich gegenüber 2019 auf 6.661 Verfahren nahezu verdoppelt, berichtet das Finanzministerium. Eine besondere Herausforderung für den Zoll sind Fälschungen, die über das Internet vertrieben werden. Im Internet bestellte Waren werden in Kleinsendungen im Postverkehr oder durch Kurierdienste nach Österreich eingeführt. Im Jahr 2020 wurden auf diesen Vertriebswegen insgesamt 3.044 Sendungen mit online bestellten Fälschungen aufgegriffen, also 91,94 Prozent aller Fälle.
Insbesondere gefälschte oder illegale Medikamente werden zunehmend in kleinen Päckchen oder Briefen versandt. Einer Studie von OECD und EUIPO zufolge waren EU-weit 96 Prozent der vom Zoll beschlagnahmten pharmazeutischen Produkte im Zeitraum 2014 bis 2016 über Post- und Kurierdienste versandt worden. In Österreich wurden im Jahr 2020 bei 3.420 Aufgriffen insgesamt 345.966 gefälschte und andere illegale Medikamente beschlagnahmt. So viele Fälle in einem Jahr hat der Zoll noch nie verzeichnet. Gegenüber 2019 ergibt sich eine Steigerung um mehr als 58 Prozent. „Das fehlende Wissen über Inhaltsstoffe, Produktion und Vertrieb von geschmuggelten Medikamenten und Gesundheitspräparaten sollte jeden vom Kauf außerhalb unserer Apotheken abhalten,“ warnt Gerhard Marosi, Produktpiraterieexperte im Bundesministerium für Finanzen, vor den Risiken beim Gebrauch von Präparaten unbestimmter Herkunft.
Angesichts der vermehrten Zoll-Aufgriffe von gefälschten Medikamenten warnen auch der Pharmaverband PHARMIG und die Apothekerkammer vor der Gefahr durch den verbotenen Handel mit gefälschten Präparaten im Internet. „Der erneute Anstieg bei Arzneimittelfälschungen ist alarmierend. Gefälschte Präparate und illegale Medikamente sind eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit, denn sie unterliegen keinerlei Qualitätskontrolle und können im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen“, sagt PHARMIG-Generalsekretär Alexander Herzog. Laut dem Bericht des Ministeriums machen Potenzmittel sowie fruchtbarkeitsfördernde Mittel rund 35 Prozent der beschlagnahmten Waren aus, dicht gefolgt von schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten sowie Schlaf- und Beruhigungsmitteln zu je 15 Prozent. Nicht näher erwähnt werden dabei vermeintliche gegen Covid-19 wirkende Präparate und Impfsubstanzen, die im letzten Jahr in mehreren Europol-Operationen aufgegriffen wurden. „Vor dem Hintergrund der aktuellen Coronakrise und der damit einhergehenden Verunsicherung vieler Menschen ist der Handel mit gefälschten und illegalen Medikamenten als besonders perfide und moralisch verwerflich anzusehen. Hier setzen Kriminelle die Gesundheit und das Leben der Menschen aufs Spiel, denn bei derartigen Medikamenten gibt es keinerlei Qualitäts- und Herkunftskontrolle“, ärgert sich Raimund Podroschko, Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer. (red)