Nachdem Apothekervertreter weiter auf eine Impfmöglichkeit in Apotheken drängen, kommt nun die Retourkutsche der Ärzteschaft. Und die hat es in sich: der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Telemedizin will den Versandhandel für rezeptpflichtige Medikamente öffnen.
Der Ruf nach einer Impfmöglichkeit in Apotheken und der zuletzt laut wiederholte Vorwurf aus dem Bereich der Apothekerkammer, dass viele Arztordinationen während des Lockdown geschlossen hatten, führt nun zu einer Gegenwehr der Ärzteschaft. Und die ist nicht nur heftig, sie könnte das Apothekensystem in Gefahr bringen. Dietmar Bayer, Vizepräsident der steirischen Ärztekammer und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Telemedizin, fordert eine Liberalisierung des „verknöcherten österreichischen Apothekenmarkts“, wie er es formuliert. Während die Telemedizin boome, herrsche im österreichischen Medikamentenhandel, „der fast vollständig von kleinen Apotheken beherrscht wird, mehr oder minder Steinzeit.“ Bayer, fordert nun „eine umfassende, qualitätsgesicherte Liberalisierung des Zugangs zu Medikamenten für die Österreicherinnen und Österreicher“.
Erster Schritt, so Bayer: Zertifizierte Online-Apotheken sollten rasch an ELGA angeschlossen werden, damit die Patienten auch rezeptpflichtige Medikamente im Internet bekommen können. Bayer: „Es gibt Telemedizin und Telebanking, selbst sensible Amtsgeschäfte können online erledigt werden. Es gibt keinen Grund, auch für Medikamente das Web nicht zu nutzen – nur die Apotheken verhindern das mit fadenscheinigen Argumenten.“ Dringend benötigte Medikamente sollten ergänzend Ärzte bei Hausbesuchen den betroffenen Menschen gleich direkt geben können, statt ihnen nur Rezepte in die Hand drücken zu dürfen. Damit so Bayer, würde das „dichte ärztliche Bereitschaftsdienst-Netzwerk entscheidend aufgewertet“, kein 80-jähriger müsse dann in der Nacht seine Enkelin bitten, das hilfreiche Medikament in einer weit entfernten, offenen Apotheke zu besorgen. „Die Menschen brauchen und verdienen Medikamenten-Autonomie“, sagt der Ärztevertreter. Es liege nun am Gesundheitsministerium und am Gesetzgeber, diese rasch herzustellen. Zuletzt hatte der Apothekerverband wie berichtet überlegt, dass Apotheken rezeptpflichtige Arzneimittel durch Dritte zustellen lassen dürfen. Das könnte nun der Forderung Bayers die Türe öffnen. (rüm)
Relatus-Kurzumfrage: Was denken Sie – Hat sich die Standesvertretung mit ihren Plänen zum Versandhandel verzettelt?