Das zu Ende gehende Jahr hätte für die Apotheken besser sein können: der Liberalisierungsdruck nimmt zu, die Spannen sinken und politische Lösungen sind mangels gewählter Regierung nicht in Sicht, zeigt eine RELATUS-PHARM-Analyse.
„Die wirtschaftliche Situation wird von Jahr zu Jahr angespannter.“ Das war der Tenor im Herbst beim Wirtschaftsforum des Apothekerverbandes. Und Lösungen sind nicht wirklich in Sicht. Tatsache ist, dass die Vergütung durch Krankenkassen dramatisch zurück geht: Von 2004 bis 2018 sind die Medikamentenkosten bei den Krankenkassen um 68 Prozent angestiegen – bei den öffentlichen Apotheken ist im gleichen Zeitraum, nach Abzug des Wareneinsatzes, lediglich eine Steigerung von 20 Prozent angekommen. Damit liegt man klar unter der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes, der im gleichen Zeitraum um rund 30 Prozent gestiegen ist.
Gleichzeitig wollen immer mehr Player im Gesundheitswesen ein Stück vom Kuchen: Die Ärzte wollen ärztliche Hausapotheken ausbauen, der Onlinehandel gewinnt Marktanteile und der Drogerieriese dm versucht erneut mit einer Klage beim Verfassungsgerichtshof den Apothekenbereich aufzubrechen. „Der, der verschreibt, soll nichts am Verkauf eines Medikaments verdienen – dieses Prinzip gilt in Österreich seit fast 800 Jahren und hat sich bewährt. Eine Aufweichung dieses Zugangs lehnen wir strikt ab, geht sie doch zu Lasten der Patientinnen und Patienten“, erteilte Verbandspräsident Jürgen Rehak der Forderung nach einer Ausweitung „ärztlicher Notabgabestellen für Medikamente“ – wie er Hausapotheken nennt – eine klare Absage.
Dass die Ärzte so massiv auf mehr Hausapotheken drängen, war – so sagen Beobachter – auch eine Retourkutsche der Ärzte auf die sommerlicher Forderungen der Apotheker nach einer Wirkstoffverschreibung, um Lieferengpässe bei Medikamenten lösen zu können. Apothekerkammer-Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr unterstützte im Sommer die Forderung der Patientenanwälte nach einer Vereinfachung des Systems, damit Apotheken künftig bei Lieferengpässen ohne Nachfrage beim Arzt gleichwertige Medikamente abgeben dürfen. Zwar wurde damit das wachsende Problem in dem Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt, doch bei Ärzten und der Industrie kam der Vorschlag nicht gut an. Während die Ärzte mit einer Lösung durch ärztliche Hausapotheken reagierten, forderte die Industrie ein Verbot an Parallelexporten durch Apotheken mit Großhandelslizenz und den Großhandel selbst. Die nächste Regierung wird sich in jedem Fall mit dem Thema auseinandersetzen müssen und auch Lösungen suchen müssen, die einen wirtschaftlichen Fortbestand der Apotheken gewährleisten.
Begonnen hatte das Jahr 2019 schon mit Problemen: Seit Februar wird die Arzneimittel-Fälschungsrichtlinie zur Verhinderung des Eindringens gefälschter Arzneimittel in die legale Lieferkette planmäßig EU-weit umgesetzt. Nach dreijähriger Vorbereitungszeit läuft das System im Echtbetrieb, der endgültige Start wird aber zwei Mal verschoben. Zuerst bis zum Sommer, dann bis Februar 2020, weil nicht alle Staaten und Unternehmen nachkommen. Im Frühjahr folgt dann eine Debatte über Mehrfachbesitz bei Apotheken. Der Wunsch von Apothekerverbandspräsident Rehak Apothekenbeteiligungen durch den Großhandel einzudämmen, sorgt für Diskussionen. Deren Dachverband PHAGO reagierte mit einem offenen Brief an alle Apotheken. Im April schlägt dann der Zoll Alarm: Der Produktpirateriebericht, der jährlich dem Nationalrat übermittelt wird, zeigt für 2018 einen dramatischen Anstieg an illegalen und gefälschten Medikamenten auf.
Kurz vor dem überraschenden Ende schaffte die ÖVP-FPÖ-Regierung noch die gesetzlichen Grundlagen für das e-Rezept. Es soll künftig administrative Erleichterungen bringen. Auch die Information über eingehobene Rezeptgebühren geht zukünftig tagesaktuell an den Krankenversicherungsträger. Am 1. April begann dann die Umsetzung der Kassenfusion. Fixiert wurde neues Führungspersonal für die Übergangsphase. Wenige Wochen später brachte die Abwahl der Bundesregierung die Neubestellung einer Übergangsregierung. Sozial- und Gesundheitsministerin wird die Spitzenbeamtin Brigitte Zarfl (57). Anfang Juni kommt eine wichtige Personalmeldung aus der EU: der Österreicher Bernd Grabner wird zum Präsidenten der Dachorganisation GIRP für den Arzneimittel Vollgroßhandel gewählt. Ende Juni werden in Österreich die neuen Generaldirektoren für die künftigen Sozialversicherungsträger fixiert. ÖGK-Chef wird Bernhard Wurzer, Dachverbandsbüroleiter Martin Brunninger.
Ebenfalls im Juli beschließt der Apothekerverband mehrheitlich ein neues Online-Konzept für Apotheken. Wie schon Vorgängerprojekte ist es aber umstritten. Der Konflikt gärt weiter und erreicht im Dezember den Höhepunkt: Vizepräsident Christian Wurstbauer tritt überraschend zurück und rechnet mit der Spitze des Verbandes und deren bisherigen Kurs ab: er ortet „Stillstand“. Wurstbauer will sich künftig nur noch auf die Arbeit als Vizepräsident der Kammer fokussieren. (rüm)