Das Jahr neigt sich dem Ende zu – Zeit für einen Rückblick auf zwölf Monate mit neuen Ideen und alten Problemen, viel Versprochenem und wenig Gehaltenem.
Kurz vorm Jahreswechsel lässt die RELATUS-Redaktion das (Gesundheits-)Jahr noch einmal Revue passieren. Wo hat es Fortschritte gegeben und wo gibt es noch Luft nach oben? Welche Versprechen wurden gemacht und welche gehalten?
Was gut angekommen ist
Neu im österreichischen Gesundheitswesen ist seit 2024 das Bewertungsboard für hochpreisige Arzneimittel. Nach anfänglichen Zweifeln und Kritik aus Industrie, Forschung und von Patient:innen-Organisationen gab es nach Anlaufen des Boards vorsichtig positive Reaktionen. Wie genau die Arbeit den Zugang zu betroffenen Arzneimitteln beeinflusst, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Größtes Fragezeichen bleibt weiterhin die Finanzierung dieser hochpreisigen und hochspezialisierten Arzneimittel.
Apropos Arzneimittel: Die Entwicklung des eine HIV-Infektion verhindernden Arzneistoffes Lenacapavir ist für das Fachmagazin „Science“ der wichtigste Forschungsdurchbruch des Jahres. Der Wirkstoff muss nur halbjährlich geimpft werden. In Österreich sehr erfolgreich war hingegen die Impfkampagne gegen HPV. Nachdem die Impfung für unter 30-Jährige seit 1. Juli gratis ist (vorerst bis Ende 2025), schossen die Impfzahlen in die Höhe. Die Zahl der HPV-Impfungen hat sich allein im Juli im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Was die Forschung anbelangt, so warten laut dem europäischen Dachverband der Impfstoffhersteller (Vaccines Europe) weitere vielversprechende Kandidaten in der Pipeline. Diese ist mit derzeit 98 Kandidaten gut gefüllt ist. Mehr als die Hälfte der Impfstoffkandidaten zielt auf über die Atemwege übertragene Krankheitserreger ab.
Die erfolgreichste Spritze war aber auch in diesem Jahr die sogenannte Abnehmspritze. Herstellern wie Novo Nordisk und Eli Lilly bescherten neuartige Abnehmmittel weiterhin Rekordumsätze, weshalb andere Pharmaunternehmen auf den Zug aufspringen wollen und selbst solche Mittel in der Pipeline haben. Der US-Biotech-Riese Amgen verkündete erst kürzlich, dass erfolgreich eine Abnehmspritze in einer Studie der Phase II untersucht wurde – das Mittel musste dabei nur einmal monatlich appliziert werden.
Was versprochen und was gehalten wurde
2024 war ein Wahljahr und damit ein Jahr der Wahlversprechen. RELATUS hat vor der EU-Wahl am 9. Juni mit den Spitzenkandidat:innen gesprochen, die sich bei einem Punkt einig waren: Um Versorgungsengpässe und Abhängigkeiten zu vermeiden, muss eine europäische Arzneimittelproduktion gefördert werden. Was daraus wird, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Mit der Nationalratswahl Ende September stand Gesundheit auch auf nationaler Ebene im Vordergrund.
Bund, Länder und Sozialversicherung haben sich in diesem Jahr – nach anfänglichem Widerstand der Länder – auf die Details zur Umsetzung der Gesundheitsreform geeinigt. Die Bundesländer erhalten dabei im Jahr etwas über 600 Millionen Euro, die Sozialversicherung 300 Millionen Euro. Damit soll unter anderem auch die Digitalisierung gefördert werden. In diesem Bereich hat sich zumindest ein bisschen etwas getan: Wahlärzt:innen müssen nun an die elektronische Gesundheitsakte ELGA angebunden sein, das Smartphone kann seit Kurzem als e-Card-Reader genutzt werden – derzeit schon für Ärzt:innen, Apotheker:innen werden im ersten Halbjahr 2025 in das System aufgenommen – und: Fixiert wurde 2024 der Vollbetrieb des elektronischen Impfpasses (e-Impfpass) sowie die Anbindung der Rettungsdienste und der Hotline 1450 an ELGA. Versprochen wurde auch ein Referenzzentrum für postvirale Syndrome, das nun an der MedUni Wien angesiedelt wurde und als Wissensmultiplikator für Gesundheitsberufe dienen und sich auf Erkrankungen wie Long Covid und ME/CFS konzentrieren soll.
Weiterhin nicht locker gelassen haben die Apotheken beim Thema Kassenerstattung von Medikationsanalysen. Eine neue repräsentative Studie der MedUni Wien zeigte, dass eine strukturierte Analyse eingenommener Arzneimittel in der Apotheke die Zahl von gesundheitlichen Problemen um bis zu 70 Prozent reduzieren kann. Die Reaktion der Österreichischen Gesundheitskasse war zurückhaltend, von Erstattung durch die Kasse war nach wie vor keine Rede.
2024 in Zahlen
18,8 Milliarden Euro… betrug das Gesamtbudget der ÖGK 2024, 31 Prozent davon entfielen auf medizinische Leistungen, 28 Prozent für die Spitalsversorgung, 20 Prozent wurden für Medikamente bereitgestellt, der Rest für sonstige Gesundheitsdienstleistungen und Verwaltung.
8,8 Tage… verbrachten Österreicher:innen laut dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marketagent im Durchschnitt im Krankenstand.
13.000 Kinder und Jugendliche… erhielten kostenfreie Hilfe bei psychischen Problemen im Rahmen des Projektes „Gesund aus der Krise“. Es wurde vom Gesundheitsministerium finanziert.
52 Prozent… der Menschen in Österreich mit formal niedrigerem Bildungsabschluss nimmt laut dem Austrian Health Report 2024/25 täglich Medikamente, mit Matura sind es gerade einmal 38 Prozent.
400 Millionen Euro… stellt das Klimaschutzministerium zur Verfügung, um das Gesundheitswesen bis 2030 klimaneutral zu gestalten. Die „Strategie für ein klimaneutrales Gesundheitswesen“ wurde 2024 von Gesundheitsminister Johannes Rauch und Umweltministerin Leonore Gewessler (beide Grüne) präsentiert.