Männer bekommen in Notfällen eher Schmerzmittel als Frauen, wie eine aktuelle Studie zeigt. Die Forschenden haben sich angesehen, woran das liegen könnte.
Frauen erhalten nach dem Aufsuchen der Notaufnahme seltener ein Rezept für Schmerzmittel als Männer, wie eine Studie mit Daten aus den USA und Israel nahelegt. Für den geschlechtsspezifischen Unterschied spielt es demnach auch keine Rolle, ob die Behandlung durch einen Arzt oder eine Ärztin durchgeführt wird. „Diese Unterbehandlung der Schmerzen von Patientinnen könnte schwerwiegende Folgen für die Gesundheit der Frauen haben und möglicherweise zu längeren Genesungszeiten, zu Komplikationen oder chronischen Schmerzzuständen führen”, warnte Shoham Choshen-Hillel, Professorin der Hebrew University of Jerusalem in Israel und Leiterin der Studie, für die mehr als 20.000 elektronische Patient:innenakten aus Israel und den USA ausgewertet wurden.
Aus den israelischen Daten ergab sich, dass 38 Prozent der Frauen, die mit Schmerzen in die Notaufnahme kamen, eine Verschreibung für ein schmerzstillendes Medikament erhielten. Bei Männern waren es bedeutend mehr, nämlich 47 Prozent. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „PNAS” veröffentlicht. Choshen-Hillel und ihre Kolleg:innen vermuten sexistische Vorurteile als Ursache der geschlechtsspezifischen Verzerrung: „Es wird angenommen, dass Frauen ihre Schmerzen im Vergleich zu Männern übertrieben beschreiben”, führen sie aus. Dieses Vorurteil sei unter Männern wie Frauen im medizinischen Dienst weit verbreitet. Ein weiterer Grund könnte den Forschenden zufolge sein, dass Männer öfter nach Schmerzmitteln fragen als Frauen.
Obwohl medizinische Richtlinien vorsehen, dass alle Patient:innen mit starken Schmerzen ein Schmerzmittel erhalten sollen, war dies laut den Akten aus Israel nur bei 50 Prozent der Patientinnen und 59 Prozent der Patienten der Fall. Die Analyse der amerikanischen Daten bestätigte alle diese Trends, wenn auch mit leicht unterschiedlichen Prozentwerten. Im Zuge der Studie führten die Forschenden außerdem ein Kontrollexperiment durch: 109 Beschäftigte des University of Missouri Health Care Hospitals erhielten entweder die Beschreibung eines Patienten oder einer Patientin mit starken Rückenschmerzen. Das Ergebnis: Von dem teilnehmenden Gesundheitspersonal wurde die Schmerzintensität von Patientinnen niedriger eingestuft als die von Patienten. Dem nicht genug: Laut der Studie mussten Frauen zusätzlich durchschnittlich 30 Minuten länger in der Notaufnahme auf eine Behandlung warten als Männer. Hinzu kommt: „Wir haben festgestellt, dass Pfleger:innen Schmerzwerte für Frauen seltener erfassen als für Männer”, schrieben die Studienautor:innen. Die Forschungsgruppe fordert deshalb Schulungen für Klinikpersonal, um einer Unterversorgung von Frauen mit Schmerzmitteln entgegenzuwirken. (red/APA)
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