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Gesellschaftliche Vorurteile und Vorstellungen rund um Sex und sexuelles Verlangen können negative Auswirkungen auf die Psyche haben, wie eine aktuelle Studie aus Österreich zeigt.
Zu prüde, zu kinky, zu oft, zu selten – das unterschiedliche Verlangen nach und Bedürfnisse beim Sex führen oftmals zu Scham. Vor allem wenn der Leidensdruck von außen, also durch Erfahrungen oder Erzählungen/Reaktionen mit und von dem eigenen Umfeld oder der Gesellschaft, kommt, kann dies negative Folgen für die Psyche haben. Das zeigt eine aktuelle Studie der Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller, die an der Sigmund-Freud-Privatuniversität (SFU) forscht und an der Universität Wien unterrichtet. Im Rahmen einer im Jahr 2022 durchgeführten, für Österreich repräsentativen Online-Erhebung unter 3.000 Menschen gaben knapp 350 Personen an, sich schon einmal verspottet oder verächtlich behandelt gefühlt zu haben, weil sie entweder zu viel oder nicht genug sexuelles Verlangen an den Tag legten. Die Antworten auf die Folgefragen hat Rothmüller in ihrer Publikation im Fachblatt „Psychology & Sexuality“ nun ausgewertet und analysiert.
Frauen sind demnach oft mit dem sogenannten „slut shaming“ konfrontiert, wenn sie aufgrund einer aktiv gelebten, lustvollen Sexualität gewissermaßen als „Schlampen“ bezeichnet werden. „Das ist sehr geschlechtsspezifisch und wird so bei Männern nicht formuliert“, erklärt Rothmüller: „Die sexuelle Doppelmoral findet man in Österreich noch ganz stark – auch bei jüngeren Generationen und obwohl unverbindliche sexuelle Erfahrungen großteils enttabuisiert sind. Trotzdem kann man das noch nutzen, um vor allem Frauen zu beschämen.“ Auch Vertreter:innen sexueller Minderheiten würden insgesamt sehr viel häufiger sowohl für zu wenig als auch für zu viel sexuelle Lust angegriffen, als das bei heterosexuellen Befragten der Fall ist. Das habe vielfach historische Gründe und finde heutzutage eine Reinkarnation etwa in Form von Mobbing auf Social-Media-Plattformen. Noch dazu würden sexuelle Minderheiten bei einschlägigen Problemen in Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen oft weniger ernst genommen, meint Rothmüller.
Alles in allem sehe man in der Studie, für die Menschen zwischen 14 und 75 Jahren befragt wurden, dass in jüngeren Generationen schon selbstverständlicher und mit einem weiteren Personenkreis über Sexualität gesprochen wird als das noch in deren Großelterngeneration der Fall war. Die in manchen Teilen der Bevölkerung nun gelebte neue Offenheit breche zwar mit Tabus, fördere aber auch sexuellen Druck, vor allem, wenn online darüber gesprochen wird. Rothmüller plädiert angesichts der Ergebnisse für eine kritischere Haltung gegenüber vermeintlichen Normen. Geht es um Diagnosen zu Sexualstörungen, sollten Psycholog:innen oder Psychiater:innen die Rolle des Umfelds und Ausgrenzungserfahrungen als mögliche Ursachen für erlebten Leidensdruck stärker einbeziehen, betont die Soziologin. (kagr/APA)