Die Pharmaindustrie setzt verstärkt auf das Thema seltene Erkrankungen. Bei einem „Rare Disease Dialog“ wurden nun Forderungen an die Gesundheitspolitik präsentiert.
Patienten mit einer der rund 6.000 seltenen Erkrankungen haben eine oft sechs bis achtjährige Ärztekarriere hinter sich, bis sie eine korrekte Diagnose erhalten, berichteten Experten anlässlich einer „Rare Disease Dialog“ Vortragsveranstaltung in Wien vor Journalisten. Was vor ein paar Jahren noch damit beantwortet worden ist, dass sich die Entwicklung neuer Therapien nicht rechnet, hat sich durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und die Genomsequenzierung geändert. Die Industrie und Experten fordern nun medizinische Spezialzentren an Unikliniken, genetisches Screening von Neugeborenen und Künstliche Intelligenz bei der Diagnose.
Viele „seltene Erkrankungen“ zeigen einen fortschreitenden Verlauf, und je später die Diagnose erfolgt, umso mehr Schaden haben sie bereits im Körper angerichtet, sagte Sylvia Nanz von Pfizer Austria. Therapien könnten diesen selten rückgängig machen. Selbst wenn es noch keine Behandlungsmöglichkeit gibt, wäre eine korrekte Diagnose für die Betroffenen und die Angehörigen ein entscheidender Punkt. Außerdem könne man keine zugelassenen Medikamente gegen solche Erkrankungen entwickeln, wenn es zu wenige Patienten mit fundierter Diagnose für klinische Studien gibt.
Die Diagnose könnte auch durch ein genetisches Neugeborenenscreening beschleunigt werden, erklärte Steph Grohmann vom Open Innovation in Science (OIS) Center der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) in Wien: „Dies ist sehr vielversprechend, weil über 70 Prozent dieser Erkrankungen genetisch bedingt sind und davon fast 90 Prozent Kinder betreffen.“ Außerdem wolle man im EU-Projekt „Screen4care“ lernfähige Computeralgorithmen entwickeln, die seltene Erkrankungen anhand von Kombinationen verschiedener Krankheitszeichen (Symptom-Clustern) identifizieren. (red/APA)