Die Forschungswerkstatt der Universität Wien und die Sigmund Freud Privat-Universität haben analysiert, welche Personengruppen besonders gegen die Corona-Maßnahmen sind. Eine andere Studie zeigt, welche Medien die Skeptiker konsumieren.
Die Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung ist stark von Frauen (64,1 Prozent), freiberuflich bzw. selbstständig Beschäftigten (33 Prozent) und Menschen mit hohem Bildungsabschluss (33,6 Prozent Studienabschluss, 27,6 Prozent BHS- oder AHS-Abschlüsse) geprägt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie einer Forschungswerkstatt der Universität Wien und der Sigmund Freud Privat-Universität. Die Forschungswerkstatt verfolgte einen Mixed-Methods-Ansatz bestehend aus einem bereits abgeschlossenen quantitativen Survey und noch laufenden qualitativen Interviews und Protestbeobachtungen.
Angesicht der teils heftigen Diskussionen über die Legitimität, die gesundheitspolitischen Konsequenzen, die Gewaltbereitschaft, aber auch über das Verhältnis der Kritiker zu Verschwörungsnarrativen und zum Rechtsextremismus wollten die Wissenschafter mit ihrer Studie mehr Klarheit über die Zusammensetzung der Gegner und ihre Einstellungsmuster schaffen. Das politische Profil der Protestierenden setzt sich demnach überwiegend aus drei Lagern zusammen: 30,2 Prozent der Befragten gaben an, bei der letzten Nationalratswahl die FPÖ, 20,5 Prozent die Grünen und 20,2 Prozent die ÖVP gewählt zu haben. Nach der künftigen Wahlentscheidung gefragt, zeichnet sich ein deutlicher Ruck nach rechts ab: 56,7 Prozent würden demnach die FPÖ wählen.
Die Einstellungen der Skeptiker: Die Regierungsmaßnahmen seien willkürlich (93,2 Prozent) und überwiegend unwirksam (93,2 Prozent), zudem herrscht die Meinung vor, dass die Regierung unnötig Angst schüre (99,6 Prozent) und das Coronavirus nicht gefährlicher als eine herkömmliche Grippe sei (78,6 Prozent). Weit verbreitet ist, dass die Regierung die Corona zur Kontrolle und Überwachung der Bevölkerung ausnutze (89,1 Prozent). Zwei Drittel der Bevölkerung informieren sich regelmäßig im Fernsehen zum Thema Corona. Dabei gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Einstellung zu Corona und den häufig genutzten TV-Sendern, zeigt eine Auswertung des Austrian Corona Panel Projects der Uni Wien: Nutzer von ServusTV und teils von oe24.tv tendieren eher zu einer Verharmlosung des Virus, glauben eher an Verschwörungstheorien und sehen Coronamaßnahmen und die Impfung skeptischer als Nichtnutzer. Bei den regelmäßigen ORF-Nutzern ist der Anteil der Coronaskeptiker hingegen in allen abgefragten Kategorien geringer als bei den ORF-Nichtnutzern. Bei den Sendern Puls 4/Puls 24, ATV/ATV2 und Krone-TV wurde in der Studie (1.500 Befragte) kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Nutzern und Nichtnutzern festgestellt. Fast ein Drittel der ServusTV-User und auch oe24.tv-Nutzern stimmt der Aussage zu, dass Bill Gates die Menschheit zwangsimpfen will, um damit Geld zu verdienen. Ein Drittel hält zudem die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus für einen Fehler. Die Studie lässt offen, ob manche Befragte aufgrund von „alternativen Covid-Realitäten“ coronaskeptischer geworden sind, wie das Forscherteam aus Jakob-Moritz Eberl und Noelle S. Lebernegg es formuliert, oder Skeptiker sich selbst eher für Formate bestimmter Sender entscheiden, weil sie dort ihre Ansichten eher vertreten sahen bzw. es wechselseitige Beeinflussung gab.
Will die Politik die Impfquoten steigern, muss sie allerdings auf Frauen setzen, sagen die Politikwissenschafterin Katharina T. Paul und der Kommunikationswissenschafter Eberl von der Universität Wien. Frauen machen nämlich einen großen Teil jener Gruppe aus, die der Corona-Impfung zwar skeptisch gegenüber steht, aber potenziell noch erreichbar ist. Durch zielgerichtete Kampagnen könnte man so auch die Impfquoten bei Kindern steigern. Der Grund für die höhere Skepsis von Frauen gegenüber der Corona-Impfung laut Paul: die höhere Betroffenheit. Sie seien eher das Ziel von Falschinformationen – etwa den früh aufgetauchten Behauptungen, dass die Covid-19-Impfung sich auf die Fruchtbarkeit auswirke – und auch tatsächlich häufiger von etwaigen Nebenwirkungen wie Thrombosen betroffen. Letztere seien medial leider deutlich stärker kommuniziert worden als die Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit einer Thrombose bei einer Covid-19-Infektion deutlich größer ist als nach einer Impfung, bedauern Paul und Eberl. (APA)