Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) will Vollzeitjobs stärken und Kürzungen bei Sozialleistungen bei Teilzeitarbeit. Das würde auch mehr als 80% der angestellten Apotheker:innen treffen.
„Wir brauchen weitere Schritte, um Vollzeitbeschäftigung attraktiver zu machen, wie eine geringere Abgabenbelastung und noch treffsichereren Einsatz von Sozialleistungen. In Österreich wird bei Sozial- und Familienleistungen wenig unterschieden, ob jemand 20 oder 38 Stunden arbeitet. Wenn Menschen freiwillig weniger arbeiten, dann gibt es weniger Grund, Sozialleistungen zu zahlen“, sagte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) zum „Kurier“ (Dienstagsausgabe). Dies führte umgehend zu breiter Kritik, vorerst skeptisch zeigte sich auch das Wifo. Zu Mittag präzisierte Kocher dann seine Aussagen. Es gehe nicht um Kürzungen von Sozialleistungen, sondern darum, bei neuen Maßnahmen, Änderungen und Reformen den Teilzeit-Aspekt stärker zu berücksichtigen.
Im personell angespannten Gesundheitswesen sorgt die Aussage dennoch für Unruhe. Und nicht zuletzt in den Apotheken. Jede zweite Apotheke wird von einer Frau geführt. 86,7% aller angestellten Apotheker:innen sind Frauen. Der hohe Anteil an weiblichen Beschäftigten erklärt sich auch durch die Kombinationsmöglichkeit von Beruf und Familie. Viele Frauen passen das Ausmaß ihrer Arbeitsstunden flexibel der aktuellen Familiensituation an. Die Folge: 80,9% der Beschäftigten arbeiten freiwillig in Teilzeitdiensten.
„Der Arbeitsplatz Apotheke ist attraktiv“, wirbt generell die Apothekerkammer: „Wer in einer Apotheke beschäftigt ist, kann das Ausmaß seiner Wochenarbeitsstunden weitgehend mitbestimmen. Die Apotheken bieten ihren Angestellten ein Arbeitszeitmodell mit Zukunft: die hoch qualifizierte Teilzeit. Sie beweisen, dass Teilzeitdienste nichts mit Billigjobs zu tun haben müssen.“ Bereits 43,1% der angestellten Apothekerinnen arbeiten zwischen 8 und 24 Stunden pro Woche. Weitere 37,7% arbeiten 25 bis 36 Stunden pro Woche.
„Was uns die vergangenen Jahrzehnte lehren ist, dass Teilzeitmodelle in den Apotheken ein bewährtes Modell sind, um den vielen Frauen in unserem Bereich einen guten Job und ein Familienleben zu ermöglichen. Wir haben auch ganz kleine Teilzeitmodelle, um Frauen durch eine Babypause nie zu verlieren. Sie starten bald mit einzelnen Stunden und bleiben so auch wissenstechnisch auf dem aktuellen Stand“, sagt die Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, Ulrike Mursch-Edlmayr. „Die jetzt diskutierte Aussage des Arbeitsministers ist eine absolute Frauendiskriminierung“, ärgert sich der Vorsitzende des Angestelltenverbandes VAAÖ, Raimund Podroschko. „Alle Frauen bei uns sind deshalb in Teilzeit, weil sie sich auch noch um Familie oder Angehörige kümmern. Mit so einer Aussage befeuere ich erst recht, dass Berufe unattraktiv werden.“ (rüm)